Propaganda: Angriff auf Wikipedia?
Es geht nur um Macht und Deutungshoheit

Am 5. Mai schrieb das Portal „RND“ (Recherchenetzwerk Deutschland“), die US-Regierung unter Trump plane einen Angriff auf den Gemeinnützigkeitsstatus des Online-Nachschlagewerks „Wikipedia“: „Ein Trump-naher US-Staatsanwalt stellt die Gemeinnützigkeit von Wikipedia infrage. Damit wird ein lange geplanter Angriff auf die Plattform Realität – und auf das freie Wissen der Welt. Wie ernst steht es um die Enzyklopädie?“
Da braucht man eigentlich nicht viele Worte machen: Es geht dabei natürlich nur um Macht und Deutungshoheit – mehr nicht. Einer der Vorwürfe ist – vor allem, wenn so was von staatlicher Seite kommt – besonders unverschämt: In einem Schreiben an Wikipedia behauptete Staatsanwalt Ed Martin, die Seite sei nicht frei von „Propaganda und ausländischer Einflussnahme“.
Als wären Regierungen nicht Meister der Propaganda. Als beschäftigten sie nicht ganze Stäbe von Verhaltens- und Kognitionspsychologen, die evaluieren sollen, wie man die „öffentliche Meinung“ in die gewünschte Richtung „nudgen“ kann. Als säßen in den „Thinktanks“ (nicht nur) Washingtons oder des Pentagons nicht nur Dutzend-, sondern manchmal sogar Hundertschaften an „Influencern“, die, beispielsweise im Vorfeld eines geplanten Krieges, der Bevölkerung die Akzeptanz einer „humanitären Intervention“, na, sagen wir mal, erleichtern, sprich schmackhafter machen sollen. Als gäbe es nur „russische Bots“, die Meta oder X mit propagandistischem Content fluten, während ihre anglo-amerikanischen Counterparts verdusselt und ratlos danebenstehen und noch nicht mal eine Ahnung hätten, wie man Menschenköpfe durch Dauerbombardement mit Agitprop durchknetet. Und als wären das alles brandneue Erkenntnisse.
Schon recht früh im zwanzigsten Jahrhundert, als zum Beispiel die US-Regierung unter Woodrow Wilson einen gewissen Edward Bernays damit beauftragte, eine Strategie zu entwickeln, um Amerikanern den Eintritt in den Ersten Weltkrieg schmackhafter zu machen, war man sich der Macht ausgefeilter, cleverer PR-Methoden natürlich sehr bewusst. Sowjetische Propaganda stand dem methodisch in nichts nach, im Gegenteil; jahrzehntelang schrieb man Geschichte um, fälschte „Helden“-Biographien wie diejenigen von Karl Marx oder Wladimir Lenin, ließ alles, was Schatten auf die überbelichteten Idolatrien werfen konnte, kurzerhand in Archiven unter strenger Geheimhaltung verschwinden und bemühte sich nicht nur innerhalb der eigenen Grenzen, sondern auch im Ausland um ideologischen Landgewinn. Und wenn ausgerechnet die US-Regierung von ausländischen Einflussnahmen spricht, die permanent mittels ihrer „NGOs“ überall dort, wo es ihr zweckmäßig erschien, „Farbenrevolutionen“ beziehungsweise Regime Changes anleierte und ihre eigene Presse zu einer Art verlängertem Arm der Geheimdienste machte, ist dieser Vorwurf nur noch als Eigentor par excellence zu bezeichnen.
Ganz zu schweigen von aktuelleren Beispielen: Eine kurze Erinnerung an die „behaviouristischen“ Teams von Psychologen, die in einer Spezialeinheit der britischen Armee möglichst effiziente Strategien zur Ängstigung und Einschüchterung der Bevölkerung entwickelten, um sie zur Einhaltung der „Covid-Maßnahmen“ zu bewegen, genügt völlig. Dasselbe gilt freilich auch für die EU und Deutschland.
Natürlich, und auch das ist längst rausgekommen, gibt es auch auf Wikipedia Propaganda und unlautere Einflussnahmen – vor allem im Bereich Politik und Zeitgeschichte. Insofern ist es Unsinn, vom „freien“ Wissen der Welt zu sprechen, solange bei bestimmten Themen auch dort kräftigst gefiltert, manipuliert und zensiert wird. Ich spreche aus eigener Anschauung und erinnere mich gut daran, wie Informationen zum Beispiel zu den Hintergründen mancher Persönlichkeiten aus Politik oder Wirtschaft – was ihre netzwerkerischen Verbindungen betrifft – einfach still und leise gelöscht wurden (und weiterhin werden), ohne Nutzer der Plattform jemals darauf hinzuweisen.
In einem Dokumentarfilm mit dem Titel „Zensur – die organisierte Manipulation der Wikipedia und anderer Medien“ hieß es dazu: „Auf Wikipedia gibt es totalitäre beziehungsweise mafiöse Sozialstrukturen, die in Teilen der Online-Enzyklopädie eine sachliche Diskussion beziehungsweise Editierung von Artikeln unmöglich machen. Besonders in politischen und sozialwissenschaftlichen Themenfeldern agieren einige besonders problematische Sichter und Administratoren. Im Film ‚Die dunkle Seite der Wikipedia‘, der auf Youtube.de frei verfügbar ist, konnten wir am Beispiel des Wikipedia-Artikels zur Person von Dr. Daniele Ganser nachweisen, dass hierin gezielt Rufmord betrieben wurde. Dieser Zustand dauert weiter an.“
Trotz allem ist Wikipedia – abgesehen von solchen Einschränkungen – ein durchaus nützliches Nachschlagewerk, aus dem man sich, sofern es nicht um „Verschwörungsthemen“ geht, schnell und zuverlässig Informationen, beispielsweise über viele wissenschaftliche Themen, holen kann. Eine „Säuberung“ seitens staatlicher Oberaufseher ist definitiv nicht nötig – zumal viele der in obigem Zitat aus dem RND-Artikel erwähnten „Sichter“ ja ohnehin in Regierungsdiensten stehen oder stark etatistische Sichtweisen vertreten.
Quintessenz? Finger weg. Wikipedia ist zwar nicht wirklich das „freie“ Wissen der Welt, solange manche der Köpfe, die es betreiben, überwachen und zuweilen scharf zensieren, selber unfrei sind – aber das gilt in noch viel stärkerem Maße für Staaten, die man kaum als unvoreingenommene Hüter der Wahrheit bezeichnen kann. Nietzsche lag ja nicht völlig falsch, als er einst bemerkte: „Aber der Staat lügt in allen Zungen des Guten und Bösen; und was er auch redet, er lügt.“
Bis nächste Woche.
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