Staaten in der Dauerkrise: Der lange Marsch in die Katastrophe
Staatsschulden wachsen ins Unermessliche

Nach dem Zerfall der Sowjetunion erlebten die USA die überschwängliche Periode der 1990er Jahre. Aber im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts begannen sie, vermehrt kostspielige Kriege zu führen, ihre Wirtschaft mit billigem Geld zu füttern und sich im Ausland, unter anderem insbesondere bei der Volksrepublik China, zu verschulden. Die offizielle ausgewiesene Staatsverschuldung der USA steht derzeit bei 37,3 Billionen US-Dollar oder rund 124 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Nettoauslandsverschuldung beträgt 26,2 Billionen Dollar.
In Japan, das seit Anfang der 1990er Jahre in Stagnation verfallen war und sich drei Jahrzehnte später immer noch nicht erholt hat, setzten die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen ihre expansive Geld- und Fiskalpolitik fort, mit der Folge, dass die japanische Regierung heute einen Schuldenstand von über 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausweist.
Am 1. Januar 1999 führte eine Gruppe von elf Staaten der Europäischen Union eine gemeinsame Währung ein, den Euro, an dem inzwischen 20 der 27 EU-Mitgliedsländer partizipieren. Diese gemeinsame Währung dient als gesetzliches Zahlungsmittel in ganz Europa von Finnland bis Portugal und von Irland bis Griechenland. Ab 2010 gerieten neben Irland auch die Länder der europäischen Südperipherie wie Portugal, Italien, Griechenland und Spanien als Folge der Ausweitung ihrer Staatsverschuldung in eine schwere Schuldenkrise, als sie das Privileg erhielten, günstig Kredite aufnehmen zu können zu Zinssätzen, die zuvor nur die kreditwürdigsten Länder genossen. Inzwischen hat die Schuldenkrise auch Frankreich erfasst. Dort beträgt die Staatsverschuldung 113 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, und die Zinssätze auf die Staatsschuld sind von einer negativen Rate im Juli 2019 auf 3,5 Prozent im September 2025 gestiegen.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Ausweitung der Staatsverschuldung in vielen Ländern der Welt von einer Erhöhung der Privatverschuldung begleitet. Die Schuldenanhäufung wurde den Verbrauchern durch die Finanzrevolution erleichtert, die Finanzinnovationen mit sich brachte, die eine drastische Verbesserung des Risiko-Rendite-Verhältnisses versprachen.
In dem Maße, wie sich die Wirtschaftstätigkeit verlangsamt, tendiert die Staatsverschuldung dazu, weiter anzusteigen. Die Folge ist eine erhöhte Preisinflation und das Resultat eine sogenannte „Stagflation“, das gleichzeitige Auftreten von Stagnation beziehungsweise Rezession und Preisinflation. Um die Inflation zu bekämpfen, müsste die Zentralbank ihren Zinssatz erhöhen; um die Wirtschaft zu stimulieren, müsste die Notenbank ihn senken. Wie die Rating-Agenturen zeigen, gibt es nur noch wenige Staaten, die die besten Ratings halten können. Sogar die Vereinigten Staaten wurden herabgestuft, während immer mehr Länder auf Junk-Status gesetzt werden. Die aktuelle Krise ist nicht nur eine Finanz- oder Wirtschaftskrise; sie ist systemisch in dem Sinn, dass das eigentliche Wesen des modernen Staates, wie er sich im 20. Jahrhundert entwickelt hat, gefährdet ist. Die dauerhafte Finanz- und Wirtschaftskrise ist ein starker Beweis dafür, dass der Ausbau des modernen interventionistischen Wohlfahrtsstaates seinen Zenit überschritten hat. Ein solches System ist an seine finanziellen Grenzen gestoßen und kann sein Versprechen eines umfassenden Wohlstands nicht mehr einlösen. Der moderne interventionistische Kriegs- und Fürsorgestaat hat es weder geschafft, die soziale Sicherheit aufrechtzuerhalten, noch die internationale Sicherheit zu gewährleisten. Das System hat sich dahingehend entwickelt, dass die Kosten für seine Wartung immer weiter steigen, während seine Leistung immer mehr abnimmt.
In Deutschland ist der ständige Anstieg der Produktivität, die sich von 1960 bis 2000 verfünffachte, seit Februar 2008 nicht mehr gestiegen; 2011 fing die Rate an zu sinken. Von 1960 bis 2024 sind die Ausgaben des Staates von 32,9 auf 49,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen. Im selben Zeitraum haben sich die Ausgaben der Sozialversicherung von 11,2 auf 20,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fast verdoppelt. Die Macht des Staates existiert immer als abgeleitete Form und beruht auf der Stärke der Wirtschaft. Je mehr der Staat in freie Märkte eingreift, desto unproduktiver wird die Wirtschaft.
Der Staatskapitalismus der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg trat schon vor Jahrzehnten in eine Krisenzeit ein, als Europa und die Vereinigten Staaten in den 1970er Jahren langsamere Wachstumsraten zu verzeichnen begannen. Seit dieser Zeit haben fast alle Staaten ständig Haushaltsdefizite. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die große Umverteilungs- und Kontrollmaschinerie des Staatskapitalismus mit Schulden am Laufen gehalten. Infolgedessen hat die Staatsverschuldung ihr aktuell hohes Niveau erreicht.
Die enorme finanzielle Belastung des modernen regulierend eingreifenden Wohlfahrtsstaates wird durch Steuern und Schulden finanziert. Um seine Ausgaben für Krieg und Wohlfahrt aufrechtzuerhalten, braucht der moderne Wohlfahrtskriegsstaat eine starke Steuerbasis. Wenn diese wegbricht, ist es mit dem Wohlfahrtsstaat vorbei. Mit geringer werdenden Wachstumsraten und steigender struktureller Unterbeschäftigung gerät der moderne Staatskapitalismus ins Stocken. Nur durch die Anhäufung von Schulden kann die Illusion aufrechterhalten werden, dass das System noch richtig funktioniere.
Nachdem allgemein akzeptiert wurde, dass die Daseinsberechtigung des „Staates“ darauf basiere, für soziale Gerechtigkeit“ und „Sicherheit“ zu sorgen, wich die klassische liberale Vorstellung, der zufolge staatliches Handeln Grenzen habe, der Anmaßung, staatliches Handeln sei unlimitiert.
Während noch im 19. Jahrhundert vor allem die Verteidigung der Freiheit als Kriterium zur Begrenzung staatlichen Handelns diente, ist dies zugunsten der wirtschaftlichen Effizienz und der sozialen Gerechtigkeit, die sich seither in den Haaren liegen, verschwunden. Die Technokratie hat das Sagen. Entsprechend geht es im modernen interventionistischen Wohlfahrtskriegsstaat nicht um die Bewahrung der Freiheit, vielmehr liegt das einzige Hindernis für die endlose Expansion dieses Staates in den Grenzen, die ihm die eigene Ökonomie setzt.
Jede Staatstätigkeit ist nur insoweit zu rechtfertigen, wie sie zu einer Verbesserung der gesellschaftlichen Kooperation (Arbeitsteilung) beiträgt. Der Staat verliert seine Legitimation, wenn er die freiwillige Zusammenarbeit beeinträchtigt, wenn er die Kooperation, zum Beispiel durch Besteuerung und Reglementierung, erschwert oder wenn die Staatsführung die Gesellschaft auf zerstörerische Ziele, wie zum Beispiel Krieg oder Bürgermord, ausrichtet. Dann gibt es eine Widerstandspflicht aus Vernunftgründen.
Antony P. Mueller: „Antipolitik“ und „Technokratischer Totalitarismus“ (2023)
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