Rindfleisch: Das Grillfest der Gauchos
Argentinische Premium-Cuts, Handel und Liberalisierung
von Oliver Gorus drucken
Das Wort „Asado“ bedeutet „Geröstetes“ und ist die Bezeichnung für das argentinische Barbecue. Am Wochenende treffen sich die Argentinier im Freundeskreis und in der Familie mit scharfen Messern und Metallspießen am Holzkohlegrill. Vor allem Rindfleisch wird geschnitten und zubereitet, ein halbes bis ganzes Kilo pro Kopf: Steaks, Costilla und Falda, also Spareribs und Flanksteak, Innereien, Chorizo, also Würste. Auf Saucen wird zumeist verzichtet, etwas Salz genügt, denn das Fleisch schmeckt pur einfach am besten. Dazu fließen Rotwein (Malbec!) und Quilmes, das beliebte argentinische Bier.
Das Asado gehört in Argentinien zum Lebensgefühl von Gemeinschaft und Freiheit: Es gibt den Fußball, den Tango und das Asado. Jeder Haushalt hat seinen eigenen Grill. Nirgendwo gibt es besseres Rindfleisch, nirgendwo wird mehr Rindfleisch gegessen: Fast 50 Kilo pro Kopf und Jahr essen die Argentinier. Nur die Uruguayer können da mithalten, die US-Amerikaner verzehren ungefähr die Hälfte davon, die Deutschen ein Fünftel.
Das Fleisch wird beim Asado bei großer Hitze, aber mit deutlichem Abstand zur Glut zubereitet. Wenn der Fleischsaft an der Oberfläche erscheint, wird genau einmal gewendet. So verbrennt das Fleisch nicht, es bekommt eine sehr leckere, kräftige Kruste, bleibt innen aber saftig und rosa, „a su punto“, genau auf den Punkt.
Die tief im Volk verwurzelte Grilltradition leitet sich von den Gauchos her, den argentinischen Cowboys, die am Ende eines harten Arbeitstages in der Pampa ein Stück Vieh schlachteten und zerteilten und das Fleisch auf Holzspießen rösteten, die neben einem großen Feuer in die Erde gesteckt wurden.
Die Gauchos sind das Resultat der Konfrontation zwischen den seit Ende des 15. Jahrhunderts einwandernden Spaniern und den einheimischen Indianervölkern, die nach und nach über drei Jahrhunderte hinweg verdrängt, im Kampf um Land von den Kolonisten getötet oder assimiliert wurden. Die Gauchos lebten weit verstreut mit ihren Pferden als einzigem Besitz weitgehend nomadisch in der riesigen Pampa, dem baumlosen Grasland Argentiniens, und fingen die von den Spaniern eingeführten und verwilderten Rinder, die in großen Herden frei umherzogen. Schon Christoph Kolumbus hatte auf seiner zweiten Reise Criollo-Rinder aus Andalusien mitgebracht, die mit der niederschlagsarmen Pampa sehr gut zurechtkamen und dort heimisch wurden.
Die Gauchos, deren beinhartes, bescheidenes Leben als Inbegriff der Freiheit und Unabhängigkeit romantisiert wurde, produzierten zu ihrem Lebensunterhalt zunächst hauptsächlich Rindsleder. Das Fleisch wurde anfangs weggeworfen, weil das Leder viel wertvoller war, das Fleisch schnell verdarb und man ja auch gar nicht so viel Fleisch essen konnte, wie bei der Lederproduktion anfiel.
Rindfleisch war also für die Gauchos schlicht kostenlos und immer verfügbar und wurde so zur Hauptnahrungsquelle. Später wurde das Fleisch gepökelt oder als Trockenfleisch transportfähig gemacht und ebenfalls verkauft.
Im 19. Jahrhundert wurde aus Schottland das Angus-Rind eingeführt. Es fand ideale Bedingungen in der Pampa und wurde mit den einheimischen Criollo-Rindern gekreuzt. Das Ergebnis ist eine robuste, perfekt an die extensive Viehhaltung im Grasland angepasste Rasse von Angus-Rindern, die ein besonders zartes, saftiges und fein marmoriertes Fleisch mit kräftigem, nussigem Geschmack liefern. Heute ist Argentinien unter allen Ländern nach den USA, Brasilien und China der viertgrößte Produzent von Rindfleisch. Aber nur etwa ein Viertel der Produktion wird exportiert, der Rest landet als Asado an den Spießen und auf den Grillgittern im Land.
Die Premium-Cuts des berühmten Rindfleischs aus Argentinien kosten derzeit im deutschen Großhandel trotz der Transportkosten und hoher protektionistischer EU-Zölle etwa 30 Prozent weniger als deutsches Rindfleisch, sind aber qualitativ deutlich überlegen. Der Import ist durch Quoten streng begrenzt, nach Deutschland gelangen pro Jahr derzeit ca. 30.000 bis 35.000 Tonnen, die Gastronomie schnappt sich fast alles davon.
Unter der Regierung Milei wurden Rindfleisch-Produktion und -Export dereguliert, Verbote bestimmter Cuts aufgehoben und die Steuern gesenkt. Auch wenn die Produktion insgesamt nicht höher ausfiel, wuchs der Export dadurch stark auf das höchste Niveau seit einem Jahrhundert. Vor allem nach China wurde mehr exportiert.
So schnell kann die Produktion nicht gesteigert werden, dementsprechend sank der heimische Verbrauch um zehn Prozent auf den niedrigsten Wert seit 110 Jahren, was dennoch immer noch Weltrekord bleibt. Durch die Verknappung wurde das Rindfleisch für Einheimische sehr teuer. Doch die Kaufkraft in Argentinien nimmt mittlerweile durch die Reformen Mileis wieder deutlich zu. Jüngste Zahlen deuten auf einen wieder steigenden Anstieg des Konsums von Rindfleisch im Inland.
Sollte das nach über 25 Jahren Verhandlungen im letzten Jahr ausgehandelte Handelsabkommen zwischen den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay einerseits und der EU andererseits irgendwann tatsächlich endlich in Kraft treten, würde das den Export argentinischen Rindfleischs weiter stärken. Etwa 15.000 bis 20.000 Tonnen mehr der wunderbaren Premium-Cuts könnten dann nach Deutschland gelangen, die dann auch hierzulande häufiger den Weg auf den Grill finden könnten. Von den Argentiniern Asado lernen heißt Freiheit genießen.
Da ein merkwürdig großer Anteil der Deutschen ja irgendwie glaubt, Rindfleisch sei böse und klimaschädlich und darum die heimische Produktion allzu gerne mit Regulierung, Steuern und Abgaben unrentabel macht, passt das dann doch alles ganz gut zusammen.
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