14. Oktober 2025 16:00

Mises-Konferenz 2025 in München „Der Freiheitskampf in Argentinien“

Gedanken zum politischen Risiko-Management

von Christian Paulwitz drucken

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Bildquelle: A.PAES / Shutterstock.com Sollte in München den Gedächtnispreis zu Ehren Ludwig von Mises erhalten: Javier Milei

Mit rund 200 Teilnehmern war der Saal im Münchner Hotel „Bayerischer Hof“ bis auf den letzten Platz belegt – obwohl der Hauptgast der Veranstaltung, der argentinische Präsident Javier Milei, der erstmalig den vom deutschen Ludwig-von-Mises-Institut gestifteten Gedächtnispreis zu Ehren Ludwig von Mises erhalten sollte, seine Teilnahme abgesagt hatte.

Die Verleihung des Preises hatte im Vorfeld große Kontroversen hervorgerufen – drei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Instituts, darunter Hans-Hermann Hoppe, waren zurückgetreten –, und neben der libertären Begeisterung für Milei war auch die Kritik gemessen an seinem vor seiner Wahl verkündeten anarchokapitalistischen Anspruch stärker ins Rampenlicht gerückt. Auch ich habe bereits meine Skepsis formuliert (siehe meinen Freiheitsfunken-Beitrag vom 16. September), begründet insbesondere auf den Deal mit dem Internationalen Währungsfonds, den ich nach wie vor für das größte Risiko im Projekt Milei halte. Die Beurteilung seiner Authentizität anhand seines Regierungspersonals fand ich dagegen schwierig. Einerseits erfordert der politische Betrieb manchmal, Bündnisse einzugehen, die zu personellen Zugeständnissen führen, andererseits lassen sich Bilder ad personam leicht framen – sowohl positiv als auch negativ – und sind aus der Distanz kaum auf Übereinstimmung zu überprüfen. Frederico Sturzenegger beispielsweise, im Kabinett Milei Minister für Deregulierung und Transformation, hat Ende September in der „NZZ“ ein sehr lesenswertes Interview gegeben. Natürlich ist das Öffentlichkeitsarbeit.

Aber warum sollte ich das daraus geformte Bild niedriger gewichten als die Tatsache, dass er 2015 bis 2018 einmal Präsident der argentinischen Zentralbank war?

Entsprechend gespannt war ich auf die Eindrücke aus der diesjährigen Konferenz und die Gelegenheit, meine Positionen überprüfen zu können. Dass ein Politiker – noch dazu vor Ende seiner Amtszeit – einen libertären Preis erhält, der überdies erstmalig vergeben wird, musste natürlich zu Kontroversen führen. Zur Begründung der Preisvergabe verwendet das Institut eine Formulierung aus seiner Satzung zum Vereinszweck: „(…) für seine herausragenden Verdienste bei der Vertiefung und Verbreitung der Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie durch deren praktische Umsetzung im gesellschaftlichen Bereich.“ Hätte man sich bereits hier nicht auf die „Vertiefung und Verbreitung“ bezogen, sondern sich nur – wie mittlerweile stärker betont wird – auf die „Verbreitung“ beschränkt, und somit deutlicher eine Abgrenzung zu seiner noch ergebnisoffenen Politik gezogen, wären die Kontroversen vielleicht abgemildert worden.

Mileis Verdienste um die Verbreitung und Popularisierung libertärer Ideen sind unbestritten und in dieser Form und Reichweite auch beispiellos. Er hat damit das Schlachtfeld des Kulturkampfes gegen die linke Meinungsführerschaft betreten, mit dem sich der Vortrag von Philipp Bagus auf der Konferenz befasste. Zu diesem Thema hat dieser bereits auf dem Regensburger Afuera-Fest referiert, weshalb ich den dortigen Vortrag unten verlinkt habe, denn es wird sicher noch etwas dauern, bis die Konferenz-Vorträge online sind. (Ganz heiße Empfehlung meinerseits.)

Politisch wird man Milei auch nach libertären Maßstäben abschließend erst nach seiner Amtszeit beurteilen können. Ein wesentliches Kriterium wird die Zukunft der argentinischen Zentralbank sein. Thorsten Polleit beleuchtete in seinem Vortrag die denkbaren Wege, eine Zentralbank abzuschaffen – kontrolliert oder unkontrolliert. Es ist mir nicht möglich, hier eine annähernd sinnstiftende Zusammenfassung des Vortrags zu geben – nicht ohne selbst mich stärker in die Inhalte zu vertiefen, nach der irgendwann erfolgenden Veröffentlichung des Vortrags auf der Seite des Instituts. Um die mögliche Verbreitung von Missverständnissen zu vermeiden, will ich hier gar nicht den Versuch unternehmen. Letztlich sind alle Wege mit Risiken des Scheiterns verbunden, vor allem des politischen Scheiterns der handelnden Kräfte. In einem demokratisch basierten System führt eine Abwahl während des Prozesses oder kurz nach Abschluss zum direkten Scheitern oder der baldigen Rückgängigmachung der Zentralbankschließung. Es ist vielleicht das größte, aber bei weitem nicht das einzige Risiko für das Vorhaben. Insofern kommt dem Risikomanagement eine wichtige Rolle für das Gelingen des Projekts zu.

Eine direkte Schließung der Zentralbank – inklusive Einstellung der Bedienung der Schulden, auch der Auslandsschulden – entspricht zwar der direkten Umsetzung des Ziels, es werden aber hohe Risiken in den durch den Staatsbankrott hervorgerufenen gesellschaftlichen Disruptionen gesehen – nicht zu Unrecht, nach den bisherigen Erfahrungen mit Staatsbankrotten. Das politische Ende der Reformkräfte hätte die Wiedererrichtung der Zentralbank zur Folge, und die systemische Befreiung wäre gescheitert. Mehr noch: Der augenscheinliche „Beweis“ wäre erbracht, dass eine Zentralbank nicht geschlossen werden könne und das libertäre Konzept falsch sei.

Wenn ich es richtig verstehe, sollen die enormen neuen Dollar-Kredite von IWF und Weltbank für Argentinien dazu verwendet werden, den Spekulationsdruck von Zentralbank und den internationalen, dollarbasierten Geschäftsbeziehungen des Landes zu nehmen, um Zeit für eine geordnete Rückführung der Zentralbank und den Einstieg in den Währungswettbewerb zu gewinnen. Auch dieser Weg birgt selbstverständlich erhebliche Risiken, selbst bei einem noch so guten Projektplan: Nicht nur sind Ziele und Erwartungen der IWF und Weltbank kontrollierenden Kräfte unklar, auch ein politisches Scheitern durch sich verschlechternde Machtverhältnisse im Land sind weiterhin möglich. Schlimmer noch: Nicht nur wäre dann das Projekt der Zentralbankschließung gescheitert, die korrupten sozialistischen Kräfte könnten bei erneuter Machtübernahme ihren Filz einige Zeit mit frischen Dollars füttern und das Land dabei in eine noch viel tiefere Krise stürzen. Wen die Propaganda dabei als Schuldigen in Szene setzen würde, wäre auch klar: den Kapitalismus.

Nun wissen wir alle, dass es in der Gegenwart kein sicheres Wissen über die Ergebnisse künftigen Handelns geben kann, das in Wechselwirkung mit dem Handeln weiterer Akteure steht. Wir können nur mutmaßen, welche Wege geringere Risiken bergen, aber noch nicht einmal sicher wissen, ob die Kräfte der Freiheit bereits stark genug für ein solches Projekt der Schließung einer Zentralbank sind. Bei hinreichend günstiger Ausgangssituation muss jedoch angesichts des möglichen Profits der Versuch unternommen werden, auch unter dem Risiko des Scheiterns.

Das macht eine weitere Ebene des Risikomanagements erforderlich, nämlich die, die richtigen Ideen im Falle des Scheiterns zu schützen, und jetzt kommen Sie ins Spiel. Ja, genau Sie, Sie haben richtig gelesen. Sie wollen nämlich nicht im Falle des Scheiterns des Projekts auf den notorischen Sozialistenspruch zurückgreifen: „Das sei ja gar kein richtiger …“, na, Sie wissen schon.

Deswegen ist die begleitende kritisch-konstruktive Auseinandersetzung erforderlich. Unterschiedliche Einschätzungen müssen formuliert werden, damit sie von anderen zur Prüfung der eigenen Position berücksichtigt werden können. Dabei sind Libertäre – anders als der gemeine Politiker – in der Lage, auf der Sachebene ohne Ansehen der Person zu diskutieren und diese ernst zu nehmen. Beim Ziel weitgehend einig, kann man für das Handeln unter Risiken bergenden Randbedingungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, die zu beleuchten sind. Auch eine ablehnende Position, bezogen auf den Weg, nimmt Anteil und ist wertvoll. Eine hohe Anteilnahme der weltweiten libertären Szene am Freiheitskampf in Argentinien erhöht die Erfolgsaussichten und mindert die Risiken, weil sie besser verstanden werden.

Fatal wäre dagegen die Ausgrenzung abweichender Ansichten, zumal wenn sie gut begründet werden. Ich formuliere hier einmal die persönliche Hoffnung auf ein „Ferngespräch“ von Andreas Tank mit Philipp Bagus in den Freiheitsfunken.

Quellen:

Kontroverse um Javier Milei (Christian Paulwitz, Freiheitsfunken)

„Die Freiheitsrevolution in Argentinien“ (Ludwig von Mises Institut Deutschland)

Freiheit verteidigen: Prof. Dr. Philipp Bagus über den entscheidenden Kulturkampf (Youtube)


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