Macht und Moral (II): Die dunkle Macht in Dir
Das Ziel heiligt die Mittel
Du fühlst dich ohnmächtig. Die Welt steuert unaufhaltsam auf ihren Untergang zu, und du kannst nichts dagegen tun. Was auch immer du sagst, niemand hört dir zu. Im Gegenteil: Sie halten dich für einen Häretiker, vielleicht sogar für einen Spinner. Was weiß der schon?, denken sie.
Unsere Regierung tut ihr Bestes. Sie beschützt die Bürger und sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Die Mächtigen sind deshalb mächtig, weil sie tugendhaft sind. Wie wären sie sonst an die Macht gekommen? Wie kannst du nur glauben, dass Erfolg nicht das Resultat von Fleiß und Rechtschaffenheit sein kann? Selbst du als Libertärer glaubst fest daran, dass sich das Beste durchsetzt. Bist du von deinem eigenen Glauben abgefallen?
Oder glaubst du etwa, dass Erfolg die Folge von Stärke, List oder gar niedrigen Instinkten ist? Wie kannst du nur so irre sein? Schau auf die Plakate: Überall verkünden Konzerne ihre ethische Haltung zur Umwelt und zur Einwanderung. Glaubst du, diese Unternehmen hätten Erfolg, wenn sie die Angestellten und Kunden ausbeuten würden? In den Medien erfährst du, wie deine Regierung dich vor dem Bösen in dieser Welt schützt. Und du hast nichts als Spott und Verachtung für sie übrig?
Nehmen wir für einen kurzen Moment an, du hättest Recht. Nehmen wir an, die Moral sei lediglich ein Instrument in der Hand der Mächtigen. Welches Interesse hätten die Mächtigen, dieses Instrument zu missbrauchen? Sie würden die Unterstützung des Volkes verlieren. Immerhin gibt es die Justiz, die den Missbrauch bekämpft. Ja, du hast Recht, wenn du sagst, dass diese auf einem Auge blind ist, aber das ist sie immer. Wir Bürger brauchen die Moral als Schutz vor den Mächtigen. Zumindest wollen wir das glauben.
Gehen wir noch einen Schritt weiter und nehmen wir an, du wirst Kanzler und könntest nach deinen Vorstellungen die Welt retten? Wollen wir das? Nein!
Der Grund bist du! Du bist nicht in der Lage zu erkennen, dass in dir neben einem moralischen Gewissen auch ein instinktives Ich steckt. Sobald du an der Macht bist, wirst du dich nicht mehr um Moral kümmern, sondern nur noch um dein Überleben und deine Sicherheit. Dein Glaube an Fairness und Gerechtigkeit wird über Nacht verschwinden. Deine Grausamkeiten wirst du plötzlich Disziplin nennen, deine Ausbeutung Fairness. Und du merkst es nicht einmal. Du hältst dich nicht für einen Bösewicht, sondern für einen verantwortungsvollen Realisten.
Du bist um nichts besser als jene, die jetzt die Macht innehaben. Dein instinktives Ich dürstet verzweifelt nach ihr, deine Kritik ist nicht anderes als Eifersucht. Du projizierst lediglich deinen eigenen Schatten auf die Mächtigen. Wenn du korrupte Politiker und skrupellose Manager verurteilst, verurteilst du vielleicht nur Teile deiner selbst, denen du dich nicht stellen willst. Wenn Macht auf das Leben eines Menschen trifft, schafft sie keine neuen Instinkte. Sie entlarvt nur die alten.
Berufe dich nie auf die Moral. Sie ist die Sprache der Schwachen. Sie existiert nur, um die Machtlosen vor der Wahrheit zu schützen. Doch das Leben schert sich nicht um Fairness. Die Moral ist ein Käfig, den die Schwachen bauen, um sich vor der Willkür der Mächtigen zu schützen. Erscheint es den Mächtigen opportun, diesen Käfig niederzureißen, können die Schwachen nur durch eiserne Disziplin überleben.
Bis dahin wirst du uns weiterhin mit deinen Sorgen und Prophezeiungen langweilen. Erspare uns bitte deine Anlagetipps für den bevorstehenden Börsencrash. Natürlich wissen wir, dass er kommt. Wir haben das in den letzten 20 Jahren schon zweimal erlebt. Jedes Mal ist die Börse um 40 Prozent abgestürzt. Na und? Der Preis für Kartoffeln änderte sich nicht. Immerhin bist du nicht der Einzige, der sich mit apokalyptischen Szenarien medial in Szene setzt. Das interessiert uns nicht. Die Grünen haben diesbezüglich unseren Bedarf vollkommen gedeckt.
Wenn du wirklich etwas ändern willst, dann führt auch dein Weg nur über die Macht. Du musst sie dir erkämpfen. Vergiss Moral und Skrupel. Was du brauchst, sind „cojones“. Das Ziel heiligt die Mittel – wie immer.
Quellen:
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