Wirtschaftskrise: Das Verschwinden des Könnens
Warum gerade nicht nur Wohlstand, sondern auch Kultur verloren geht
von Oliver Gorus drucken
Kurz vor Weihnachten wurde bekannt, dass ein weiteres traditionsreiches Familienunternehmen, der weltbekannte und qualitätsführende Hersteller von Rundstrickmaschinen Mayer & Cie., aufgeben muss. 280 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Aber nicht nur das. Mit jedem High-Tech-Mittelständler, der auf dem unfruchtbaren, mit giftigem Sozialismus und ätzendem Etatismus verseuchten Grund eingeht, verliert das Land Wissen und Können.
Mit dem Zusammenbruch eines Systems verschwinden mit dem Wohlstand immer auch die Leistungsträger, die Wissensträger und die Könner. Aus der DDR flohen so gut wie alle Unternehmerfamilien in den Westen. Sie nahmen nicht nur ihr Kapital mit, sondern auch ihre Unternehmerkultur. Heute, 35 Jahre nach dem Ende der DDR, hat sich das feine Netz aus privatwirtschaftlichen Wirtschaftskreisläufen, familiärer und akademischer Bildung und privatem Investitionskapital noch immer nicht regeneriert. Vielleicht wird Mitteldeutschland über mehrere Generationen hinweg unternehmerisch unfruchtbar bleiben.
Als das Römische Reich unterging, verschwand nicht nur eine eindrucksvolle Stadt und hinterließ Ruinen, sondern es verschwanden beispielsweise auch für Jahrhunderte das technische Vermögen und das Gewusst-wie, große Monumentalbauten mit freitragenden Kuppeln, Aquädukte und Brücken zu bauen. Die Römer konnten hochwertigen, sich selbst regenerierenden, wasserbeständigen Beton herstellen, den Pozzolana, der einen speziellen vulkanischen Asche-Zement enthielt. Die Rezeptur blieb nach dem Fall Roms über tausend Jahre lang verloren und wurde erst im 18. Jahrhundert wiederentdeckt. Auch der großflächige Straßenbau oder die massenhafte Produktion von Qualitätskeramik und die damit verbundene Kultur gingen für viele Jahrhunderte verloren. Und Vieles mehr.
In Deutschland geht mit dem politisch verursachten Niedergang der Industrie gerade ebenfalls Können verloren. Und zwar täglich. Wenn ein spezialisierter Maschinenhersteller wie Mayer & Cie. erst einmal seine Mitarbeiter entlassen und das Inventar verscherbelt hat, kann weltweit niemand mehr solche Maschinen auf diesem hohen Qualitätsniveau bauen. Das Wissen wird nicht mehr an Lehrlinge und junge Ingenieure weitergegeben, niemand tüftelt mehr an den Details, keine alten Meister geben ihr spezielles Können an Fachhochschulen weiter, kein Marktdruck erzwingt mehr Innovationen.
Die entlassenen Könner wechseln das Fach oder gehen ins Ausland oder in den Ruhestand. So auch bei den Technologien der Erforschung und des Baus von Kernkraftwerken. Die neuen, modularen kleinen Kernkraftwerke, bei denen bauartbedingt keine Kernschmelze möglich ist und die keinen lang strahlenden Abfall mehr produzieren, werden nicht in Deutschland gebaut, denn die wahnsinnigen Politiker haben das verboten. Alle Fachleute, die wir in diesem Feld hatten, sind ausgewandert oder haben aufgehört.
Ganz ähnlich ist das bei der Photovoltaik oder der Fertigung von massenskalierten Batteriezellen, bei der fortgeschrittenen Halbleiter- und Chipproduktion, bei dem vielen Spezialwissen in der Automobilzuliefererindustrie rund um den Verbrennermotor und bei der energieintensiven Grundstoffindustrie.
Die Technologien rund um die industrielle Stahlproduktion gehen verloren, weil die politischen Experimente der Stahlproduktion mit so genanntem grünem Wasserstoff keine konkurrenzfähigen Marktpreise erlauben und scheitern werden. Mit der Stahlproduktion in Deutschland geht dann auch das damit verbundene Können verloren, eine ganze Schlüsselindustrie, ein wirtschaftliches Ökosystem, in dem die deutschen Unternehmen über 200 Jahre lang technologisch führend waren.
Wenn die Wurzeln im Boden verbleiben, können viele Pflanzen nach einem Sturm oder einem Feuer neu austreiben, aber wenn auch die Wurzeln abgestorben sind, wächst nur noch Unkraut, und es dauert sehr lange, bis sich an der Stelle ein komplexes Ökosystem wieder neu aufgebaut hat.
In Deutschland, das die vom sozialistischen Todeskult infizierten Politiker gerade systematisch deindustrialisieren, verschwindet nicht nur die wirtschaftliche Substanz, das Kapital, nicht nur die jungen Leistungsträger ins Ausland und die alten Könner in den Ruhestand, sondern auch etliche Technologien und Kulturtechniken. Das kulturelle, zivilisatorische Niveau Deutschlands werden Historiker einmal einteilen in die deutsche High-Tech-Blüte vor Merkel und die dunkle Zeit danach.
Aber auch die Post-Merkel-Wüste wird irgendwann wieder begrünt werden. Bislang hat in der menschlichen Geschichte noch kein gesellschaftliches System ewig gehalten, und auch die reformunfähigen Strukturen EU und Bundesrepublik werden früher oder später auseinanderbrechen und vergehen. Beim momentanen Tempo der Zerstörung der Wirtschaft werden die Politiker das eher früher als später schaffen.
Wenn es dann eine neue wirtschaftliche Blüte in Mitteleuropa geben wird, dann auf der Basis gesellschaftlicher Strukturen, die sich historisch bewährt haben: Kleinteiligkeit, Dezentralität, Subsidiarität, Selbstverwaltung, Privateigentum, individuelle und ökonomische Freiheit, freie Märkte in allen gesellschaftlichen Bereichen, Rechtssicherheit, ein möglichst klein gehaltenes Gemeinwesen und ein intaktes gesellschaftliches Immunsystem, das alle Varianten des Kollektivismus frühzeitig beseitigt.
Umbrüche in der Geschichte geschehen oft rasend schnell. Vielleicht erleben wir nach dem Verlust des Könnens auch dessen Rückkehr noch zu unseren Lebzeiten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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