08. März 2024 19:00

Der Niedergang des Westens Besuchen Sie Europa, solange es noch steht!

Eine selbstverschuldete Krise, die nun schon seit 1914 andauert

von Thomas Jahn

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Bildquelle: 135pixels / Shutterstock Betrachtet von ganz oben (noch) ganz gelassen den sich abzeichnenden Untergang Europas: La Stryge von Notre Dame

„Ich bin heute hier, um Ihnen zu sagen, dass die westliche Welt in Gefahr ist.“

Mit diesen Worten leitete Xavier Milei Anfang 2024 in Davos seine im Internet inzwischen über 25 Millionen Mal abgerufene Rede „Viva la libertad, carajo!“ ein. 

Während es dem neu gewählten argentinischen Präsidenten vor allem um die Gefahren des Sozialismus ging und er natürlich zu Recht das kapitalistische Gegenmodell freier Menschen, freier Märkte und garantierten Eigentums pries, möchte man den Bogen noch etwas weiter spannen und auch die politischen Auswirkungen der ökonomischen und geostrategischen Fehlentscheidungen des Westens beleuchten.   

Mit der Welt des Westens ist zuvorderst das kleinteilige Europa vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs gemeint, das sich ab dem 15. Jahrhundert auf alle Kontinente ausbreitete. 1914 beherrschten Europa und die von Europäern in Nord- und Südamerika gegründeten Staaten den gesamten Globus mit Ausnahme des Japanischen und Osmanischen Reichs und einiger, meist nur teilsouveräner Länder wie China, Siam (das heutige Thailand), Persien und Äthiopien.

Dass sich Europa oder der sogenannte Westen seit Beginn der Neuzeit aufmachen konnte, die restliche Welt zu kolonialisieren, lag am damaligen Gegenentwurf zum heutigen „EU-Staat“, denn seit dem Ende des Römischen Reiches war Europa in eine Vielzahl mittlerer und kleinerer Staaten beziehungsweise Territorien, nahezu herrschaftsfreier Gebilde oder teils winziger Stadtstaaten zergliedert. Während östliche Großreiche wie das chinesische Kaiserreich oder das osmanische Sultanat durch Bürokratismus und Gleichförmigkeit erlahmten, wirkte der häufig, leider auch oft gewaltsam ausgetragene Wettbewerb der vielen Hundert Königreichen, Fürstentümern, Städten und Kleinstaaten dynamisierend, weil sich auf diesem europäischen Kontinent neue Ideen, neue Erfindungen oder menschliche Talente schneller ausbreiten konnten als in einem großen, behäbigen Zentralstaat.

Als Christoph Kolumbus dem portugiesischen König seinen Plan für eine Westpassage nach Indien unterbreitete und anschließend abgewiesen wurde, brauchte er nur zum nächsten König gehen, um seine Idee in die Tat umsetzen zu können. Zheng He, der chinesische Kolumbus, unternahm zwar schon 1405 seine erste Seereise in Richtung Indien. Da die chinesischen Kaiser aber keinen Nutzen in dieser Ausweitung des Handels oder der Entdeckung neuer, bislang unbekannter Gebiete sahen, ließen sie Zheng Hes „Schatzflotte“, bestehend aus großen Übersee-Dschunken, einfach abwracken. Zheng Hes Nachfolger konnten sich, anders als Kolumbus, nicht an andere Potentaten wenden. Im riesigen chinesischen Reich gab es keinen „Wettbewerb der Herrscher“, sondern nur einen einzigen Entscheider, nämlich den Kaiser mit seinem Hofstaat und den ihm untergebenen Berufsbeamten.

Der Abstieg einiger Staaten des Westens begann allerdings schon im 17. und 18. Jahrhundert, als die ersten europäischen Kolonialreiche ähnlich wie China oder das Osmanische Reich an Überdehnung, Zentralismus und fehlendem Wettbewerb der Ideen litten. Spanien und Portugal machten den Anfang. Frankreich und Großbritannien wären spätestens 1917 gefolgt, wenn die USA nicht in den Ersten Weltkrieg eingetreten wären, um die drohende Niederlage der Westalliierten abzuwenden. Deutschland hatte es bis 1914 vorgemacht, dass Freihandel, Wettbewerb und die Konzentration auf technische Innovationen wichtiger sind als der Aufbau und der kostspielige Erhalt eines möglichst großen Kolonialreichs. Die USA waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts das andere erfolgreiche Gegenmodell zum zwanghaften Festhalten an imperialer Größe. Selbst Frankreichs Niederlage 1940 innerhalb von nur sechs Wochen und Großbritanniens Juniorrolle im Zweiten Weltkrieg ließen die politischen Funktionseliten beider Länder nach 1945 in dem Irrglauben zurück, auch diesen Krieg glorreich gewonnen zu haben. Anstatt Frieden und wiedergewonnene Freiheit für die Weiterentwicklung des Mutterlands und des eigenen Kontinents zu nutzen, führten beide Mächte anschließend weiter Kolonialkriege im Stil des 19. Jahrhunderts und reihten Niederlage an Niederlage, angefangen mit Indochina über Suez, Kenia, Malaysia, Algerien bis zu Zypern. Und nicht einmal diese Katastrophen verhinderten, dass nach 1960 und der Unabhängigkeit fast aller ehemaliger Kolonien mit dem Commonwealth of Nations und der Französischen Union auf Biegen und Brechen und bar jeglicher wirtschaftlichen Vernunft der Phantomschmerz des eigenen Machtverlusts künstlich verlängert und zu einer Art staatspolitischen Kunstform camoufliert wurde. Der vorerst letzte Akt dieser destruktiven, nur an längst vergangenem Ruhm hängenden Politik war das Niederhalten Deutschlands, das 1990 nur mithilfe der ebenfalls kurz vor dem Untergang stehenden Sowjetunion und um den Preis der Errichtung eines zentralistischen, bürokratischen, ursprünglich von Paris, Brüssel und London aus gesteuerten europäischen Staates gelang. Anstatt die in friedlichen Revolutionen in Mittel- und Osteuropa erkämpfte Freiheit für eine Revitalisierung des Westens durch Dezentralisierung, friedlichen Wettbewerb und Ideenvielfalt zu nutzen, wurden abgeschottete, überregulierte Märkte errichtet und wirtschaftliches Scheitern mit den von Deutschland stammenden Steuermilliarden mittels Subventionen und einer gleichgerichtet wirkenden Inflationswährung belohnt.                     

Aus einem Kontinent, der der Welt die wichtigsten technischen und zivilisatorischen Errungenschaften bescherte, universelle Menschenwürde durch die Idee der Freiheit des Individuums ermöglichte und dessen kulturelles und geistiges Erbe Nachahmer in aller Welt fand, ist eine kleingeistige Heimstätte für Bürokraten, Kooperatisten, Planwirtschaftler und Zensoren geworden. Der Kontinent, der 400 Jahre lang die Welt beherrschte, kann heute nicht einmal mehr seine eigenen Grenzen schützen, geschweige denn regionale Konflikte an seiner eigenen Peripherie ohne Zutun der Flankenmächte USA und Russland lösen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die von Beginn an in den beiden größten Kriegen der Weltgeschichte gegeneinander kämpften, können sich heute nicht einmal mehr gemeinsam ohne die Hilfe der USA verteidigen.

Die Krise des Westens ist in erster Linie eine Krise Europas, das leider weder aus den Fehlern der freiheitsfeindlichen Ideologien mit ihrem Wahn nach Zwangsbeglückung und gleichmacherischer Zentralisierung noch aus den Fehlern des 20. Jahrhunderts gelernt hat.             


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