16. März 2024 23:00

Elf Jahre Pontifikat Selig sind, die Frieden stiften

Kritik an Franziskus nach Ukraine-Appell

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Gevorg Ghazaryan / Shutterstock Viele kontroverse Äußerungen überschatten Papst Franziskus’ bisheriges Pontifikat: Impfen als „Akt der Liebe“

Er ist ein Hirte, der seine Schäfchen schon oft abseits der rechten Straße geführt hat und dessen Stecken und Stab nur selten trösten. Elf Jahre und damit deutlich länger als von ihm selbst vorhergesagt dauert sein Pontifikat nun an. In diesen elf Jahren hat sich Franziskus vor allem eine Reputation als geschwätziger Plauderpapst gemacht, der es nur selten schafft, zu kontroversen politischen Themen auch mal den Mund zu halten, und sich auch noch die letzte Klimawandel-Narretei zu eigen machen muss. 

Eine Grenze hat der argentinische Sozialist auf dem Stuhl Petri dann während Covid überschritten, als er offen zur Impfung aufrief, diese einen „Akt der Liebe“ nannte und Kritikern, die vor Nebenwirkungen warnten, Verbreitung von Falschnachrichten unterstellte. Ich frage mich, wie viele Katholiken weltweit sich wohl tatsächlich von den Worten des Papstes zum Piks ermuntern ließen und dadurch – plötzlich und unerwartet – seinem Chef gegenüberstanden oder noch heute an den Folgen leiden. 

Natürlich hat der mittlerweile 87-Jährige hier schwere Schuld auf sich geladen. Doch die Verantwortung für die eigene Gesundheit trägt jeder Einzelne freilich selbst. Für viele könnte dies auch eine heilsame Erfahrung dahingehend gewesen sein, Entscheidungen über den eigenen Körper nicht zu delegieren oder diese auf Basis von Empfehlungen vermeintlicher Autoritätspersonen zu treffen. 

Der Papst ist ein fehlbarer Mensch mit einer Meinung. Nicht mehr und nicht weniger. Und genauso falsch, wie es wäre, diesen Meinungen irgendwelche göttlichen Attribute zuzusprechen, wäre es, mit Blick auf vorangegangene Aussagen des Papstes dessen Meinung gleich in eine bestimmte Schublade einzuordnen oder sie gar von vornherein zu verwerfen, nur weil der Absender eine bestimmte Reputation hat. 

Denn ab und zu sagt sogar dieser Papst richtige Sachen. Etwa wenn er die Gender-Theorie eine „widerliche Ideologie“ nennt, weil sie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern beseitigen und „alles gleichmachen“ wolle. Abtreibung verglich der Papst mit einem Auftragsmord und stellte die berechtigte Frage: „Wie kann eine Handlung, die unschuldiges Leben beseitigt, therapeutisch, zivilisiert und menschlich sein?“

Bereits vor sieben Jahren hat mich der Papst erstmals positiv überrascht durch seine Offenheit gegenüber einer Änderung des Vaterunsers. „Führe uns nicht in Versuchung“ sei „keine gute Übersetzung“, sagte der Papst damals und schlug als Alternative „Lass mich nicht in Versuchung geraten“ vor. Eine Änderung, die französische und italienische Bischöfe angeregt hatten, obgleich die Diskussion über diesen problematischen Versabschnitt aus dem Matthäus- und Lukasevangelium weit zurückreicht. Ich weiß nicht, wie es so viele Christen schaffen, das mit ihrem Gottesbild zu vereinbaren, aber mir widerstrebt es, einen Gott, der mich in Versuchung führt, Vater zu nennen. Mein irdischer Vater würde das jedenfalls nie tun.

Vor allem hat mich gefreut, dass sich Franziskus damals gar nicht auf irgendwelche Debatten mit Griechisch-Professoren eingelassen hat, die der Welt erklären wollten, warum es im Urtext aber genau so heißt. Jesus hat dieses Gebet sicher nicht auf Griechisch gebetet, sondern auf Aramäisch, und wenn eine Stelle ein derart fatales Gottesbild transportiert, liegt es absolut am Oberhaupt einer Kirche, das anzusprechen. Katholiken sind da zum Glück etwas flexibler als am Buchstaben klebende Evangelikale, bei denen man manchmal den Eindruck hat, die Bibel und nicht der Heilige Geist sei für sie Teil der Dreieinigkeit. So richtig vorangekommen ist das theologische Projekt in der Katholischen Kirche seitdem allerdings nicht. 

Da die Meinung des Papstes in vielen Fragen so mainstreamkompatibel ist und er für einen Papst (man vergleiche das nur mit seinen Vorgängern) mit erstaunlich wenig Kritik leben muss, dürfte es den Pontifex sicher etwas überrascht haben, welchen Sturm der Entrüstung seine jüngsten Aussagen zum Ukraine-Krieg hervorgerufen haben. Die „Bild“-Zeitung lässt ausgerechnet durch ihren Sportjournalisten Walter Straten den Papst mit „Eure Scheinheiligkeit“ adressieren und ihm einen „Kniefall vor Putin” vorwerfen. Die Chef-Kriegstreiberin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bekundete, sie würde sich „als Katholikin schämen“. Und selbst die Deutsche Bischofskonferenz distanzierte sich von ihrem Boss und forderte den Vatikan auf, „eine inhaltliche Klärung seiner Position“ zu kommunizieren.

Es sagt viel über die Kriegsgeilheit des politisch-medialen Komplexes hierzulande aus, wie die eigentlich völlig harmlosen Äußerungen des Papstes skandalisiert wurden. „Ich denke, der Stärkste ist derjenige, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Flagge hat und verhandelt“, mahnte Franziskus. Verhandlungen seien niemals eine Kapitulation. „Es ist der Mut, ein Land nicht in den Selbstmord zu treiben.“ Man dürfe „sich nicht schämen, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“.

Ist das nicht ein Statement, wie man es von einem Geistlichen, einem Kirchenoberhaupt erwartet? „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“, sagt Jesus in der Bergpredigt. Ist das nicht genau, was Franziskus tut, wenn er die Menschen in den Blick rücken will, die jeden Tag in diesem sinnlosen Krieg als Kanonenfutter verheizt werden, statt den Kampf um Einflusssphären, Flaggen und Territorien, dem sich die politische Kaste verschrieben hat. Für mich stehen diese Worte auch in der Tradition von Benedikt XV. (1914–1922), wenn auch Franziskus freilich Lichtjahre von dessen intellektueller Brillanz trennen.

Der jetzige Papst hat es sich selbst zuzuschreiben, dass ihm so viele Menschen heute gar nicht mehr zuhören. Menschen, die er durch eine weniger politische Ausrichtung seines Pontifikats hätte erreichen und für Glauben und Kirche hätte gewinnen können, anstatt sie wiederholt vor den Kopf zu stoßen, zu belehren oder ihnen bisweilen sogar den Glauben abzusprechen. Dass er sich in seinem Appell für den Frieden nun wieder auf den Kern des christlichen Glaubens besinnt, ist erfreulich, kann das desaströse Gesamtbild seines Pontifikats aber kaum noch korrigieren. 


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