30. April 2024 16:00

Erstaunliches Das Weltklima zu Babel

Über Machtanspruch und Sprachverwirrung

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Turmbau zu Babel: Geht es um mehr als Sprachverwirrung?

Es ist schon ein paar Jahre her, da kam mir der Gedanke, der Anspruch, über technokratische Verordnungen das Weltklima beeinflussen zu wollen – womöglich auch noch in eine beabsichtigte Richtung –, habe in seiner Hybris etwas von einer modernen Variante der alten Bibelgeschichte des Turmbaus zu Babel. Mir fehlt ein religiöser Bezug zur Bibel, mein diesbezügliches Wissen ist oberflächlich und stammt zum großen Teil aus Kindheit und Jugend. So verband ich mit dem Turmbau lediglich die gängige Interpretation, die Geschichte handele von Anmaßung und menschlicher Selbstüberhöhung, die das Scheitern zur Folge hat. Dass dieses Scheitern ausgerechnet von einem eifersüchtigen Gott ausgelöst wird, fand ich immer etwas unpassend, aber wie gesagt – mir fehlt ja auch der religiöse Zugang.

Gleichwohl halte ich die Bibel und insbesondere das Alte Testament für ein Kondensat jahrtausendealten Menschheitswissens, nicht zuletzt mit hohem soziologischen Anteil, das mehr oder weniger eingebettet in einen großen Bogen zeigt, was im konfliktträchtigen Zusammenleben der Menschen funktioniert und was nicht. Was an Erfahrungen eine gewisse Bedeutung hatte und für die Zukunft berücksichtigenswert erschien, mag irgendwann in bildhafter Weise Eingang in die große Erzählung gefunden haben. So etwa stelle ich mir das ganz laienhaft vor.

Vergangene Woche las ich irgendwo eine rationale Argumentation gegen das CO2-Narrativ und den Einfluss des Spurengases auf das vorgebliche Weltklima sowie eine darauffolgende herabwürdigende, kultige Entgegnung eines im Staatsfunk tätigen Verteidigers des Glaubens an die bevorstehende menschengemachte Klimakatastrophe. Da gab es keine gemeinsame Sprache mehr, um sich über die jeweiligen Vorstellungen in irgendeiner Weise auszutauschen, und so schoss mir durch den Kopf, dass hier noch ein anderer Aspekt des Turmbaus zu Babel höchst präsent ist: Die Sprachverwirrung.

Nun war mein Interesse geweckt und ich schlug eine Bibel auf, um die Geschichte erst einmal nachzulesen. Gerade einmal neun Sätze sind es im Ersten Buch Moses, Kapitel 11, und ich war erst einmal etwas enttäuscht, denn die Geschichte meines Halbwissens erschien mir erheblich umfangreicher, verstärkt durch die künstlerische Bearbeitung vergangener Epochen. Nach Abgleich mit den heute angeblich gängigen Interpretationen über das Internet – mag sein, dass theologische Insider hier ganz andere Deutungen kennen – stelle ich nun doch etwas verwundert fest, dass mir die Bibelgeschichte vom Turmbau etwas ganz anderes erzählt. Möglicherweise liege ich ja falsch – Kritik an meiner Interpretation ist mir in den Kommentaren willkommen.

„Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache.“ So beginnt die Geschichte in der Bibelausgabe, die ich aufgeschlagen habe, und bekanntlich endet die Geschichte damit, dass die Menschen nicht mehr die Sprache des anderen verstanden und sich in alle Welt zerstreuten, was im Erzählbogen als die Entstehung unterschiedlicher Sprachen der Völker verstanden wird. Selbst wenn das tatsächlich so gemeint ist, muss das jedoch nicht zum Wesenskern der Geschichte gehören. Rahmen und Kern kann man auch getrennt betrachten.

Wenn Menschen freundschaftlichen Umgang auf Augenhöhe miteinander haben und sich verbal austauschen, sprechen sie im übertragenen Sinn „die gleiche Sprache“. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Gesprächspartner mit gegenseitigem Respekt aneinander interessiert sind. Jeder bemüht sich sowohl, sich selbst mitzuteilen, als auch zu verstehen, was der andere mitteilen will, um dies zu reflektieren und mit der eigenen Position abzustimmen. Daraus kann dann eine direkte Kooperation erwachsen oder eben nicht, wenn die Interessen und Ressourcen des einen und die des anderen dies nicht nahelegen. Wir haben als Ausgangspunkt also eine Gruppe von Menschen, die in einer friedlichen Ordnung miteinander leben. Sie machen sich nun auf den Weg, um woanders zu siedeln und eine Stadt zu bauen.

Der vierte Satz ist nun derjenige, der meines Erachtens die gängigen Interpretationen sprengt: „(…) und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen! Denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ Tja, da fragt man sich doch: Wenn nun diese einträchtige Gruppe aller (!) damals lebenden Menschen nun gemeinsam diesen Entschluss fasst – vor wem wollen sie sich denn „einen Namen machen“? Merkwürdig. Da muss doch ein ganz anderer Sinn dahinterstecken. Schwer, wenn man nicht den Originaltext lesen kann, sondern nur eine Übersetzung. Aber mir scheint es auch hier um die Machtfrage zu gehen. Einige wollten sich gegenüber den anderen als ausgezeichnet sehen, sich einen Namen gemacht haben, und zwar nicht unbedingt aufgrund besonderer Leistungen zu ihrem und anderer Nutzen. Große Bauwerke sollten ja in alten Zeiten durchaus den Glanz ihrer Fürsten widerspiegeln, aber auch auf das Kollektiv zurückfallen, das einen Teil des Glanzes des Fürsten auf sich zurückgeworfen fühlen soll. Das hält es zusammen, und es bleibt damit für die herrschaftliche Bewirtschaftung durch den Fürsten erhalten. Vor allem dieser hätte ein Problem, wenn es sich „sonst zerstreut in alle Länder“.

„Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen, und haben das angefangen zu tun: sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasset uns herniederfahren und ihre Sprache daselbst verwirren, dass keiner des anderen Sprache verstehe!“

Möglicherweise wurde der Bau der Stadt oder symbolisch des Turms von der Gruppe, die noch in friedlicher Ordnung zusammenlebte, begonnen. Nach und nach entwickelten sich unterschiedliche Vorstellungen der Umsetzung, und es zeigten sich bessere und schlechtere Plätze und Anteile am Ergebnis, die sich bei Fortschreiten des Baus für die einen oder die anderen herauskristallisierten, aber so nicht unbedingt von Beginn an abzusehen waren. Die einen wollten daher ihre Interessen gegenüber anderen durchsetzen, ohne dafür ehrliche Argumente zu haben. Gewandte Redner nahmen andere Leute durch gefällige oder auch eine mögliche Bedrohung darstellende Narrative ein, um Entwicklungen und Ergebnisse mit der Stimmung der Masse in eine für sie günstige Richtung zu lenken. Die einen lauschten den Reden gerne und ließen sich von den Rednern einnehmen; andere – vor allem diejenigen, die sahen, dass die Konsequenzen auf ihre Kosten gehen würden – verstanden den Hintersinn und opponierten. Es musste ja damals als Zankapfel noch nicht um Bauweisen gegangen sein, die das Klima schützten. Aber vielleicht erschienen auch die damals geführten Diskussionen bereits der nächsten Generation so derartig abwegig und absurd, dass sich die genaue Geschichte in der Überlieferung verloren hat. Sie war nicht wichtig genug.

Jedenfalls fanden diejenigen, die den massenwirksamen Narrativen folgten, mit denen, die das nicht taten, keine gemeinsame Sprache mehr. Die Entscheidung wurde wahrscheinlich über die Machtfrage herbeigeführt. „Sie werden nicht ablassen von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.“

Sind hier diejenigen gemeint, die die Masse zu beherrschen suchten? Was soll sonst verwerflich dabei sein, beharrlich sein Ziel zu verfolgen und zu erreichen? In jeder Kultur ist dies eine Tugend, sofern man keinem anderen dabei schadet. Es gab Gewinner und Verlierer in der Entscheidung durch Macht vor Recht, und wer sich ungerecht behandelt und zu Schaden gekommen sah, der wollte weder unter der ungerechten Herrschaft leben noch mit den ganzen Mitläufer-Trotteln, die diese stützten. Folglich zerstreute man sich in alle Welt.

Der Text in der Genesis ist kurz, und ich lese da etwas viel hinein, ich weiß – ich erhebe nicht den Anspruch, ausschließliche Wahrheiten gefunden zu haben. Aber es ist das, was ich heute beobachte: Herrschaftsnarrative, denen die einen folgen und die die anderen als solche erkennen. Da es nicht um das bessere Argument, sondern um Macht geht, ist eine gemeinsame Sprache nicht zu finden – der eine verliert sich selbst und glaubt einfach an das Gerede anderer, und der andere muss dagegenstehen, um an sich selbst festzuhalten. Die Sprachverwirrung und die daraus folgende Spaltung sind umfassend.

Das Tröstliche: Die Herrschaft muss dabei zusammenbrechen. Stadt und Turm bleiben ihr nicht erhalten, ja nicht einmal fertig gebaut.


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