05. Mai 2024 21:00

Drogenliberalisierung Gebt nur den Hanf frei?

Eine etwas andere libertäre Sicht

von Stephan Unruh

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Bildquelle: Pe3k / Shutterstock Legaler Joint: Seit Ostermontag ist der Hanf in Deutschland freigegeben

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist ab dem 1. April dieses Jahres der Konsum von Cannabisprodukten in der BRD legal. Libertäre begrüßen eine Drogenfreigabe im Allgemeinen, ich persönlich halte diese Perspektive für einseitig und „freiheitlich-naiv“.

Vielleicht eines vorweg: Ich habe in meinem Leben relativ oft „Gras“ konsumiert – anders als zahllose, vor allem konservative Politikclowns weiß ich also so ein bisschen aus eigener Anschauung und Erfahrung, was der Gegenstand der Diskussion ist. Allerdings liegt der letzte gerauchte Joint schon etliche Jahre zurück und meine Perspektive auf Drogenkonsum hat sich mit zunehmender Lebenserfahrung wie auch wachsender Verantwortung in Sachen Beruf und Familie doch recht deutlich verschoben.

Nun ist die libertäre Position hinsichtlich Drogenkonsums absolut eindeutig: nämlich alles freigeben. Jeder soll sich reinpfeifen dürfen, worauf er gerade Lust und Laune hat – egal, was, egal, wann, egal, wo. Hm, wirklich? Egal, wo? Eigentlich nicht, oder? Auch Libertäre werden es nicht unterstützen, wenn sich Junkie X auf der Terrasse des konservativen Nachbarn Y gegen den Willen des Terrasseneigentümers einen Schuss setzt. Also Drogenkonsum „ja“, aber nur dort, wo es der Eigentümer der jeweiligen Lokalität gestattet, was dann wiederum bedeutet, dass aus libertärer Sicht der Drogenkonsum nur auf dem eigenen Territorium uneingeschränkt gestattet wäre, also in den allermeisten Fällen in der eigenen Wohnung. Dort, wo es der Besitzer verbietet, wäre es nicht gestattet, und im öffentlichen Raum regelt es der Gesetzgeber oder, in der idealen libertären Welt, die Statuten der Privatrechtsgesellschaft.

Auch beim „Wann“ gibt es sicherlich zumindest Grauzonen, beispielsweise wenn ungeborene Kinder im Spiel sind – okay: Murray Rothbard oder Ayn Rand, beides strahlende Ikonen des Libertarismus, würden hier (vermutlich) die gleiche Position einnehmen wie in Sachen Abtreibung: also dass Ungeborene keinerlei Rechte haben, weder auf Leben noch auf ein „unbeschädigtes“ Leben. Ich persönlich würde gerade bei Letzterem, also ein durch den Drogenkonsum der Mutter beschädigtes Leben, auch an den Vater denken, der ja im Zweifelsfall dann dauerhaft für dieses beschädigte Leben (mit-) sorgen soll/muss/darf (und ja, Rothbard würde sagen, muss er nicht, wenn er nicht will, kann er es ja auch verhungern lassen). Und wie sieht’s nach der Geburt aus? Ich hoffe, dass zumindest die allermeisten Libertären wenigstens Zahnschmerzen bekämen, wenn eine Mutter beim Stillen entspannt ein oder zwei Lines wegzieht …

Und was passiert, wenn der Vater dies ebenfalls – vorsichtig formuliert – nicht goutiert? Hätte der Vater irgendeine Chance, der ganz offenkundig nicht zur Kindererziehung geeigneten Mutter das Kind zu entziehen? Schwierig in einer Situation, einer Gesellschaft, einem Staat, in der/dem alle Drogen ohne jede Einschränkung konsumiert werden dürfen. Und natürlich, auch vor der staatlichen Hanffreigabe haben (werdende) Mütter Drogen konsumiert beziehungsweise gekifft – die Illegalität hat also weder geborene noch ungeborene Kinder geschützt.

Aber jenseits solcher Graubereiche wird bei der Freigabe von Cannabis so manches vergessen. Der Staat hat nun den Konsum freigegeben. Aber was ist mit all den Aspekten drumherum? Eigentlich müssten mit einer Drogenfreigabe noch viel mehr „Freigaben“ einhergehen. Nur als Beispiel: Was bedeutet das für Arbeitgeber? In meinem Unternehmen würde ich – gerade aufgrund meiner Erfahrung mit Cannabis – Kiffer nicht einstellen wollen, und ich kenne jede Menge Unternehmer, die ähnlich denken. Dürfen wir von Angestellten beispielsweise einmal im Monat einen Drogentest verlangen und bei positivem Ausgang desselben dem entsprechenden Arbeitnehmer fristlos kündigen? Da hör’ ich dann schon den Aufschrei „Ja, aber der Datenschutz …“ und „Was ist denn mit Alkohol?“.

Selbstredend würde ich auch jemandem den Stuhl für die Tür stellen, der an einem Montagnachmittag am Arbeitsplatz mit 0,8 Promille unterwegs ist – wenn ich es denn dürfte. Und was den Datenschutz betrifft: Die Ergebnisse müssen sicherlich nicht am Schwarzen Brett ausgehängt werden, aber als Arbeitgeber darf ich erwarten, dass die Mitarbeiter fit am Arbeitsplatz auftauchen. Ein Feierabendbier sehe ich dabei als unproblematisch an, einen Feierabendjoint hingegen aus meiner Erfahrung nicht. Die aktuelle Rechtsprechung in der BRD gestattet nun den Konsum von Hanfprodukten, aber natürlich sind allgemeine Drogentests am Arbeitsplatz tabu – nur mit Einwilligung und unter bestimmten Voraussetzungen. Das Recht auf Rausch ist gesichert, das Recht auf ordentliche Arbeitsleistung nicht. Auch das ein klares Signal an alle noch in der BRD verbliebenen John Galts.

Wie sieht es mit Versicherern aus? Dürfen diese die Prämien für Drogenkonsumenten erhöhen? Und ich denke dabei nicht nur an die Krankenversicherung – Unfallversicherer, Kfz-Versicherer und so weiter haben sicher ebenfalls lieber drogenfreie als drogenabhängige Kunden. Dürfen Schulen, Universitäten oder andere Ausbildungsstätten von ihren „Kunden“ (also den Schülern/Studenten) verlangen, dass sie drogenfrei sind beziehungsweise diese zumindest nicht während der Schulzeit konsumieren? Das werden sich entsprechende Institute zweifelsohne auf die Fahnen schreiben, aber dürfen sie dies gegebenenfalls auch mittels Sanktionen durchsetzen? Und auch andersherum: Dürfen die Kunden besagter Institutionen verlangen, dass die Lehrer/Professoren/Ausbilder „clean“ sind? Und weil wir oben die „eigene Wohnung“ als aus libertärer Sicht absolut erlaubten Konsumort definiert hatten: Wie sieht’s mit der Mietwohnung aus …?

Nun geht es mir nicht darum, anderen das oben bereits erwähnte „Recht auf Rausch“ abzusprechen. Wer Drogen nehmen will, soll dies tun. Ich will aber die libertäre Gemeinde doch zumindest daran erinnern, dass während der gesamten Menschheitsgeschichte der Konsum von Drogen normalerweise auf irgendeine Art und Weise reguliert wurde (oft innerhalb eines religiösen Kontextes). Die meisten Menschen sind kurzfristig und an Lustgewinn orientiert und gerade in jungen Jahren fehlt es in den allermeisten Fällen an Wissen (und Verantwortung), um Risiken und langfristige Folgen angemessen einschätzen zu können. Genau aus diesem Grund bilde(t)en sich in allen Gesellschaften immer Regulative (übrigens nicht nur hinsichtlich Drogenkonsums), auch und gerade ohne Staat. Wo und wie aber werden in den staatshörigen Gesellschaften des Westens diese Regulative (neu) entstehen und wird der Staat diese zulassen?  

Eines muss man sich abschließend immer klar machen: Die Drogenfreigabe erfolgt nicht, weil Staatsbüttel plötzlich ihre freiheitliche Seite entdeckt haben. So wenig wie die Briten 1839 und 1856 das chinesische Kaiserreich mit Krieg überzogen, weil sie der Freiheit zum Durchbruch verhelfen wollten, so wenig will der BRD-Staat heute Freiheit für seine Bürger. Damals sah das perfide Albion die einzige Möglichkeit, seine Handelsbilanz mit China auszugleichen, darin, die chinesische Bevölkerung in den Opiumkonsum zu treiben, wofür es den Import nach China legalisieren und monopolisieren musste. Heute verhält es sich ähnlich. Die USA haben gezeigt, wie viel Geld sich mit der Freigabe von Cannabis verdienen lässt. Der immer gierige(re) Staat will an diesem Kuchen seinen Anteil in Form von Steuern, Abgaben und Lizenzgebühren haben. Das ist das eigentliche Motiv der Freigabe, und freiheitlich ist es gewiss nicht.


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