24. Mai 2024 18:00

Europawahl 2024 In Mittelfranken wirbt die CSU neuerdings für Die Linke

Nur eine Provinzposse?

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Raimond Spekking (CC BY-SA 4.0) / Wikimedia Carola Rackete, Spitzenkandidatin für Die Linke: Kann sich über Wahlwerbeaktion von CSU freuen

Wie die „Nürnberger Nachrichten“ vor einigen Tagen berichteten, haben sich verschiedene Parteien im mittelfränkischen Landkreis Roth zu einem Wahlwerbebündnis zusammengeschlossen. Unter dem Motto „Was auch immer du wählst: Wähl’ die Demokratie!“ wird zur Wahl bestimmter Parteien anlässlich der Europawahl am 9. Juni 2024 aufgerufen. Dem Bündnis, das öffentlich mit Großflächenplakaten wirbt, gehören neben der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und den Freien Wählern auch die CSU und die SED-Nachfolgepartei Die Linke an. Im Wahlaufruf heißt es, dass Parteien, die einen Austritt aus der Europäischen Union anstreben und verfassungswidrige, antidemokratische Positionen vertreten, nicht weiter an Einfluss gewinnen dürften. Man kann sich also denken, gegen wen die Aktion gerichtet ist. „Gekrönt“ wird der schon erwähnte Artikel der „Nürnberger Nachrichten“ mit einem Pressefoto, auf dem der örtliche Landtagsabgeordnete der CSU und eine Bezirksrätin der CSU dabei zu sehen sind, wie sie stolz ein Wahlwerbebanner mit den einträchtig nebeneinander aufgereihten Logos der CSU, der Regierungsparteien und der Linkspartei präsentieren.

Was zunächst wie eine alltägliche Provinzposse klingt, erscheint bei genauerem Hinschauen allerdings ziemlich bemerkenswert: Dem selbsternannten Demokratie-Bündnis gehört eben auch die Partei Die Linke an, deren Partei-Vereinigungen, wie die Jugendorganisation „Linksjugend (’solid)“ oder der Studentenverband der Partei „SDS“, durch das CSU-geführte bayerische Innenministerium als linksextremistisch, also dezidiert verfassungsfeindlich eingestuft werden. Erinnert werden darf auch an die zweite Spitzenkandidatin der Linken, deren Nominierung selbst in den eigenen Reihen auf heftige Kritik stieß. Es geht um die frühere „Sea-Watch“-, besser gesagt Schlepper-Kapitänin Carola Rackete, eine linksradikale No borders, no Nations“-Aktivistin, die selbst der Altkommunistin Sahra Wagenknecht zu links war und deren Parteiaustritt wesentlich beschleunigt haben dürfte.   

Fast schon skurril mutet auch die Tatsache an, dass die Wahlwerbeaktion der CSU für die Linkspartei in einer Region stattfindet, in der die CSU von Joachim Herrmann, dem bayerischen Innenminister, geführt wird, der sich medial gerne als Hardliner in Sachen Zuwanderungsbegrenzung gibt. Angesprochen auf die gemeinsame Aktion mit der Partei Die Linke, teilt der verantwortliche CSU-Funktionär in Roth mit, dass Joachim Herrmann angeblich seine Zustimmung zur Allianz zwischen CSU und Linkspartei erteilt hat. Ist Herrmann also neuerdings der Daniel Günther der CSU, der auch für neue Koalitionsoptionen, ähnlich wie in Thüringen oder Sachsen, sorgen soll?

Wahrscheinlich ist die Linkspartei in Bayern, die bei den letzten Landtagswahlen nur 1,5 Prozent Stimmenanteil erreichte, für Koalitionsüberlegungen zu unbedeutend. Für den Kampf gegen „Rechts“, genauer gesagt gegen die AfD scheint sie aber inzwischen auch in der CSU durchaus willkommen zu sein. Der Kreisvorsitzende der CSU Roth sieht deswegen auch keinen Widerspruch, tatsächliche oder vermeintlich „antidemokratische“ und „verfassungswidrige“ Positionen im Verein mit linken Extremisten zu bekämpfen. Die Aktion wird also trotz vehementer Kritik zahlreicher CSU-Mitglieder weiterlaufen. Die örtlichen CSU-Initiatoren stören sich auch nicht daran, dass Die Linke als umbenannte ehemalige Staatspartei der DDR für eine 40-jährige kommunistische Diktatur und die Unterdrückung von 17 Millionen Menschen verantwortlich ist und auch aktuell immer wieder mit antiisraelischen Ausfällen für Schlagzeilen sorgt, wie auf dem letzten Parteitag in Augsburg zu beobachten war, als sie tatsächlich über das Existenzrecht Israels diskutierte.  

In Berlin hat man neuerdings auch schon nachgezogen. Wie der „Spiegel“ gestern berichtete, haben sich „die demokratischen Parteien von CSU bis Linke gemeinsame Regeln für faire Wahlkämpfe gegeben“. Die gemeinsame Erklärung trägt den interessanten Titel „Für den Schutz unserer Demokratie und Fairness unter Demokratinnen und Demokraten“. Das Dokument wurde laut „Spiegel“ von CDU und CSU, SPD, Grünen, FDP und der Linken gemeinsam erarbeitet und wird von den genannten Parteien getragen.

Das Führungspersonal der Unionsparteien scheint bis heute nicht zu merken, wie sie sich von den linken Regierungsparteien in linke Bündnisse treiben lässt, die nicht nur die Wähler in den neuen Bundesländern an undemokratische politische Kartelle erinnern und die offenbar vergessen machen sollen, in welch aggressiver, niveauloser und teils militanter Art und Weise Parteien wie SPD, Grüne oder Die Linke Politiker und Positionen der Unionsparteien in der Vergangenheit attackiert hatten. Ein letzter Rest an Selbstachtung hätte beispielsweise darin bestehen können, dass die Union jede Art von Zusammenarbeit mit SPD, Grünen oder FDP von der Rücknahme des jüngst beschlossenen Bundeswahlgesetzes abhängig macht. Selbst linke Medien mussten nach der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wahlrechtreform im April 2024 einräumen, dass dieses Gesetz bewusst so konzipiert wurde, um damit der CSU auf Bundesebene den Garaus zu machen, indem auch alle errungenen Direktmandate unter den Vorbehalt der bundesweiten Fünfprozentklausel gestellt werden. Bei der letzten Bundestagswahl schaffte die CSU diese Hürde mit 5,2 Prozent nur denkbar knapp, errang aber fast alle Direktwahlkreise. Das würde ihr 2025 nach dem Willen ihrer „Wahlkampffreunde“ von SPD, Grünen und FDP aber nichts mehr nützen. Mit 4,9 Prozent würde sie aus dem Bundestag fliegen, auch wenn alle Wahlkreise in Bayern an die CSU gingen.

Vielleicht denken führende Unionpolitiker angesichts der neuen Bündnisse mit den Linken aber auch weniger in sadomasochistischen Kategorien und handeln stattdessen mit der Motivation, die inzwischen machtpolitisch in Medien, Staatsapparat, Kirchen und Verbänden fest im Sattel sitzende Linke zu beschwichtigen – also nach dem Prinzip des Appeasements, dessen Kern Churchill treffend mit der Methode beschrieb, das Krokodil in der Hoffnung zu füttern, als Letztes gefressen zu werden.    

„Einmalige Allianz wirbt im Landkreis Roth zur Europawahl“:

Linke streitet über Antisemitismus („FAZ“)

Liste der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern als linksextremistisch eingestufter Organisationen

Wahlkampfkodex von Linke bis CSU („Spiegel“)


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