„Compact“-Urteil: Eine Ohrfeige für Nancy Faeser
… allerdings ohne Folgen
von Thomas Jahn
von Thomas Jahn drucken
Es lohnt sich, die Entscheidung, mit der das Bundesverwaltungsgericht das Verbot der Zeitschrift „Compact“ vorläufig aufgehoben hat, juristisch zu analysieren. Auch die medialen Reaktionen sind aufschlussreich.
Erwartungsgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht die in der Geschichte der Bundesrepublik einmalige Aktion der linken Bundesinnenministerin und Antifa-Sympathisantin Nancy Faeser zum Verbot der Zeitschrift „Compact“ vorläufig gestoppt. Die Inhaber des „Compact“-Verlags hatten sich in einem Eilverfahren gegen die vier Wochen alte Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vor dem erstinstanzlich zuständigen Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Wehr gesetzt.
Wie auf diesen Seiten schon vor vier Wochen erwähnt, war Faesers Aktion rechtswidrig, nachdem das Bundesverwaltungsgericht nun zumindest festgestellt hat, dass das Interesse der „Compact“-Inhaber an der Aussetzung der Verbotsverfügung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug deutlich überwiegt. Unverständlich ist allerdings der gerichtliche Hinweis auf Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, wonach Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass einzelne Ausgaben des „Compact“-Magazins die Menschenwürde verletzen könnten. Zu hoffen ist, dass sich das Gericht im anstehenden Hauptsacheverfahren, das sich sicher noch mindestens zwei Jahre hinziehen dürfte, darauf besinnt, dass sich der Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes weder an Presseorgane wie „Compact“ noch an Privatpersonen richtet, sondern natürlich als Schutzauftrag an den Staat und seine Untergliederungen, wie der zweite Satz in Artikel 1 Absatz 1 unmissverständlich klarstellt, Zitat: „Sie [gemeint ist die Menschenwürde] zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Selbst wenn „Compact“ also über Menschen oder Menschengruppen „unwürdig“ herziehen würde, wäre dies, sofern damit keine Strafgesetze verletzt würden, kein Grund für Einschränkungen der Meinungs- oder Pressefreiheit, erst recht nicht für ein vollständiges Verbot.
Auch die weiteren Hinweise des Bundesverwaltungsgerichts in der bis dahin veröffentlichten Pressemitteilung sind juristisch unzutreffend, soweit das Gericht mildere Mittel zum Komplettverbot vorschlägt, wie presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen. Dazu muss kritisch angemerkt werden, dass das Bundesverwaltungsgericht zunächst zu prüfen gehabt hätte, ob wegen einzelner Artikel oder Ausgaben des „Compact“-Magazins strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden oder gar rechtskräftige Verurteilungen ergangen sind. Da das Bundesinnenministerium in seiner Verbotsverfügung kein einziges Strafverfahren gegen das „Compact“-Magazin erwähnt, muss sich das Bundesverwaltungsgericht daher fragen lassen, auf welcher verwaltungsrechtlichen Grundlage presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungs- oder Äußerungsverbote (was soll das überhaupt sein?) erlassen werden könnten, wenn es zuvor nicht einmal Ermittlungen oder Verurteilungen wegen irgendwelcher Gesetzesverstöße gab?
Es bleibt daher zu hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht die zu Recht hohen Anforderungen an Eingriffe in die Pressefreiheit im weiteren Verlauf des Verfahrens berücksichtigt und erkennt, dass eine spezifische Zuständigkeit des Bundes für presse- und medienrechtliche Maßnahmen überhaupt nicht existiert und der „Umweg“ des Bundesinnenministeriums über das Vereinsrecht auch in der juristischen Fachliteratur auf erhebliche Kritik gestoßen ist.
Neben diesen juristischen Überlegungen ist auch die politische Dimension in den Blick zu rücken, was vielleicht durch folgendes Gedankenexperiment erleichtert wird:
Stellen wir uns einen Augenblick vor, ein Innenminister der CSU hätte auf Basis des Vereinsrechts ein seit Jahren erscheinendes linkes Printmagazin verboten und das Bundesverwaltungsgericht hätte dieses Verbot nur vier Wochen später aufgehoben. Wie hätten wohl andere Medien, vor allem die etablierten Privatmedien, der öffentlich-rechtliche Rundfunk oder Journalistenverbände reagiert? Um diese Frage zu beantworten, bedarf es keiner besonderen Phantasie: Dieser Innenminister wäre jeden Tag, jede Stunde und jede Minute auf allen Kanälen und allen Magazinseiten von Hamburg bis München gejagt worden. Er hätte notgedrungen schon am Tag der Gerichtsentscheidung seinen Rücktritt erklären müssen und wäre politisch ähnlich erledigt worden wie seinerzeit Jürgen Möllemann, Martin Hohmann oder Karl-Theodor zu Guttenberg. Gab es dieses Mal ähnliche Rücktrittsforderungen gegen Nancy Faeser? Natürlich nicht, denn schon am Nachmittag des 14. August 2024 hielt die leitmediale „Tagesschau“ ihre schützende Hand über Faeser, so wie die Zuschauer das bei den zahllosen anderen Skandalen dieser Bundesregierung seit fast drei Jahren gewohnt sind. Man bemühte sich um ein herunterspielendes Framing mit den bekannten Methoden der „Einordnung“ und damit Verharmlosung eines in Wahrheit historisch einmaligen Vorgangs. Dazu trat wieder einmal der unvermeidliche, wenn auch unbekannte und natürlich wenig kompetente „Experte“ auf. Dieser erklärte dem verdutzten Publikum, dass es sich ja nur um eine ganz vorläufige Entscheidung eines Gerichts gehandelt habe und im Hauptsacheverfahren sicher mit einer Bestätigung des als notwendig geframten Verbots zu rechnen sei. Kein Wort davon, dass Faesers Vorgehen einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik war und die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nichts anderes war als eine schallende Ohrfeige, auch wenn einzelne Aussagen des Gerichts in der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Beschlussbegründung juristisch unzutreffend sind und das Gericht selbst keine hörbare Kritik am Regierungshandeln geübt hat.
Schade, dass Mainstream-Journalisten ihren Beruf so wenig ernst nehmen und beim Schutz der Pressefreiheit weiterhin nur danach differenzieren, welches Meinungsspektrum das entsprechende Medium abdeckt oder eben nicht. Aber auch diese Erkenntnis ist vor allem in Deutschland spätestens seit 2020 nicht völlig neu: Manche Juristen interessieren sich nicht mehr für Gesetze, viele Journalisten ignorieren Fakten und Recherchemöglichkeiten, und Ärzte pfeifen mehrheitlich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Patienten, wenn die Regierung bestimmte „Maßnahmen“ anordnet.
Solange Deutschland über keine kritische Öffentlichkeit verfügt, kann sich jede (linke) Regierung auch in Zukunft viel erlauben. Solange sich das deutsche Mediensystem nicht ändert, wird der Marsch in den linkstotalitären Staat munter weitergehen. Nancy Faeser hat eine schallende Ohrfeige kassiert, die aber ohne Folgen bleiben wird, wie es Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht, im „Cicero“ gestern auf den Punkt brachte: „In einer funktionierenden Demokratie wäre Nancy Faesers Rücktritt jetzt alternativlos.“
Thomas Jahn: „Solidarität ist das Gebot der Stunde“
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.