Gestahlfedert: Presseverarschung: Frag den Staat!
Die Bundesnetzagentur zwischen Floskeln und Schweigen
von Michael Werner
Wie in der letzten Kolumne angekündigt, berichte ich hier über meine Presseanfrage an die Bundesnetzagentur zu dem Thema „Trusted Flagger“.
Meine E-Mail hatte folgenden Inhalt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Michael Werner, ich gehöre zu den Stamm-Autoren des Print-Magazins „eigentümlich frei“ und habe eine wöchentliche Kolumne auf dem Portal „Freiheitsfunken“. Meine Schwerpunktthemen sind Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Äußerungsrecht und Medien generell.
Sie haben Ihre ursprüngliche Pressemitteilung zu den Trusted Flaggern ergänzend korrigiert. Dort steht jetzt in der aktualisierten Fassung: „Illegale Inhalte, illegaler Hass und illegale Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“
Meine Fragen dazu:
Erstens: Was genau ist „illegaler Hass“, was unterscheidet ihn von „legalem Hass“, und wer definiert mit welcher Legitimation diesen Unterschied?
Zweitens: Was genau sind „illegale Fake-News“, was unterscheidet sie von „legalen Fake-News“, und wer definiert mit welcher Legitimation diesen Unterschied?
Drittens: Wenn es „illegalen Hass“ und „illegale Fake-News“ tatsächlich gibt, dann wären das doch ebenfalls „illegale Inhalte“, was quasi der Oberbegriff für alle Äußerungen ist, die gesetzeswidrig sind. Hätte es dann nicht gereicht, einfach zu sagen: „Illegale Inhalte können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden.“?
Weiterhin steht dort jetzt folgende Ergänzung: „Was illegal ist, entscheiden weder Trusted Flagger noch die Bundesnetzagentur.“
Meine Fragen dazu:
Erstens: Wenn weder Trusted Flagger noch die Bundesnetzagentur entscheiden, was illegal ist, wer denn dann?
Zweitens: Da sich diese Frage an der Stelle wohl fast jedem aufmerksamen Leser aufdrängt, warum haben Sie auf die Erklärung, wer das denn tatsächlich entscheidet, verzichtet?
Drittens: Wenn eine Social-Media-Plattform einen Inhalt aufgrund einer Meldung eines Trusted Flaggers entfernt, hat dann der Trusted Flagger damit nicht de facto entschieden, dass es sich um einen „illegalen Inhalt“ handelt, also von der praktischen Konsequenz her?
Ihren Antworten sehe ich mit Spannung entgegen und möchte mich jetzt schon für Ihre Bemühungen bedanken. Mit freundlichen Grüßen…
Am Dienstag erhielt ich dann eine Antwort, oder besser gesagt das, was die Bundesnetzagentur für eine Antwort hält. Ich würde es eher als Vollverarschung bezeichnen und als Beleidigung meines Intellekts. Entweder ist man in dieser Behörde keine kritischen Fragen und erst recht keine kritischen Journalisten gewöhnt, oder die Mitarbeiter der Pressestelle werden extra darauf geschult, kritische Journalisten zu verhöhnen.
Als „Antwort“ auf meine ersten drei Fragen schrieb man mir: „Hassrede und Falschinformationen sind nicht zwangsläufig, können aber strafbar sein, z.B. in Form Beleidigung nach § 185 StGB, übler Nachrede nach § 186 StGB oder strafbaren Inhalte von Finanzbetrügern nach § 263 StGB.“ Und die „Antwort“ auf meine zweiten drei Fragen lautete: „Zertifizierte Trusted Flagger melden Inhalte, die sie als rechtswidrig einschätzen zur Überprüfung an Plattformen. Die Online-Plattformen und -Dienste treffen die Entscheidung über die Behandlung der gemeldeten Inhalte auf Grundlage des jeweils geltenden nationalen Rechts. Die finale Beurteilung, ob Inhalte auf Online- Plattformen und -Diensten rechtswidrig sind und entfernt werden müssen bzw. zu Recht (nicht) entfernt wurden, liegt bei den Gerichten.“
Ich habe ja nichts gegen eine Vollverarschung, wenn sie wenigstens gut gemacht ist. Und das sollte man bei einem Staat, der jedem wertschöpfend tätigen Bürger rund achtzig Prozent seiner Lebensleistung abpresst, schon mindestens erwarten. Aber das hier schlägt dem Fass den Boden aus, und prompt schrieb ich zurück:
Sehr geehrte Frau Pressesprecherin,
danke, dass Sie meine Mail beantwortet haben, auch so zügig, jedoch haben Sie bis auf eine Ausnahme meine Fragen nicht beantwortet, sondern mir nur Dinge gesagt, die ich längst weiß und mit denen ich Sie daher niemals behelligt hätte. Es wäre sehr nett, wenn Sie die Beantwortung meiner konkreten Fragestellungen noch nachholen würden.
Die einzige halbwegs konkrete Antwort, die Sie mir gegeben haben, nämlich dass die finale Beurteilung, ob eine Äußerung rechtswidrig ist, bei den Gerichten liegt, wirft nun weitere Fragen auf.
Erstens: Melden die „Trusted Flagger“ den Plattformen nur Inhalte, die sie für rechtswidrig halten, oder auch solche Inhalte, die sich unterhalb der Strafbarkeitsgrenze bewegen, aber aus irgendwelchen anderen Gründen für anstößig gehalten werden?
Zweitens Für den Fall, dass die „Trusted Flagger“ nur Inhalte melden, die in ihren Augen rechtswidrig sind, wird dann auch automatisch Anzeige erstattet?
Drittens: Für den Fall, dass Anzeige erstattet wurde und die Justiz aber zu der Ansicht gelangt, dass der angezeigte Inhalt nicht rechtswidrig war, sorgen die „Trusted Flagger“ dann auch dafür, ihren Fehler wiedergutzumachen, indem sie der Plattform melden, dass der Inhalt doch nicht rechtswidrig war, so dass er wiederhergestellt wird, oder muss der Betroffene dann in solchen Fällen selbst vor Gericht ziehen, um die Wiederherstellung seines zu Unrecht entfernten Inhalts einzuklagen?
Viertens: Wenn eine Plattform aufgrund einer Meldung eines „Trusted Flaggers“ einen Inhalt entfernt, erfährt der Betroffene dann von der Plattform, dass sein Inhalt aufgrund einer Meldung eines „Trusted Flaggers“ entfernt wurde, und vor allem, um welchen „Trusted Flagger“ es sich handelte?
Fünftens: Wenn der Betroffene der Ansicht ist, dass sein Inhalt legal war und zu Unrecht entfernt wurde, muss er dann gegen die Plattform klagen oder gegen den Trusted Flagger?
Sechstens: Muss die Klage dann an ein Verwaltungsgericht gehen, weil der „Trusted Flagger“ schließlich im hoheitlichen Auftrag gehandelt hat, oder geht die Klage wie bisher vor ein Zivilgericht?
Ich verbleibe in der Hoffnung, diesmal wirklich konkrete Antworten auf meine sehr klar formulierten Fragen zu erhalten. Mit freundlichen Grüßen…
Bis jetzt (Sonntagabend) habe ich keine Rückmeldung erhalten. Entweder brüten in der Rechtsabteilung der Bundesnetzagentur noch fünf Top-Juristen über den richtigen Antworten, oder man redet nicht gerne mit aufmüpfigen Schreiberlingen, die unangenehme Fragen stellen und nachbohren, weil sie sich nicht mit ausweichenden Floskeln zufriedengeben. Oder man ist es längst nicht mehr gewohnt, dass es auch Medien gibt, die kritische Fragen stellen und nachhaken.
Stattdessen freuen wir uns einfach auf die nächste Einschränkung der Meinungsfreiheit, die diese Woche in Kraft tritt: Ab dem 1. November kann es teuer werden, biologische Fakten offen auszusprechen. Orwell lässt grüßen!
Nachtrag vom 29.10.2024:
Auf meine letzte E-Mail kam gerade eine Antwort:
„Bitte wenden Sie sich mit dieser Frage an den Trusted Flagger und die Onlineplattformen und -dienste. Bitte beachten Sie, dass der DSC keine Rechtsberatung durchführt.“
Das macht es jetzt auch nicht besser...
Kommentare
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