28. Januar 2025 16:00

Mit der Lizenz zur Begnadigung Pontifex Maximus des Staatsglaubens

Bei der Katholischen Kirche wäre zur Erteilung der Absolution wenigstens noch Reue und Besserungsabsicht gefordert

von Christian Paulwitz

von Christian Paulwitz drucken

Artikelbild
Bildquelle: Anna Moneymaker / Shutterstock.com Begnadigte während seiner letzten Tage im Amt noch schnell einige Verbrecher: Joe Biden

Die Begnadigung durch ein Staatsoberhaupt ist ja eine Chance zur Fehlerkorrektur im fehleranfälligen System, vermutlich ist sie stets so gedacht gewesen und somit nicht grundsätzlich zu beanstanden. In unkalkulierbarer Weise kann der Staat auf diese Weise Milde walten lassen, wo seine eigenen Regeln möglicherweise fragwürdig harte Ergebnisse hervorgebracht haben und die Perspektiven eines vielleicht jungen und entwicklungsfähigen Menschen offenkundig sinnlos beeinträchtigen. Ein solcherweise Begnadigter konnte nicht auf diesen Akt rechnen, während er seine vom Staat als bestrafungswürdig angesehene Tat begangen hat; und auch mögliche Nachahmer können nicht mit einer Begnadigung bei künftigen Taten rechnen, was die Fraktion der auf harte Durchsetzung von Strafen zur Abschreckung Bedachter innerhalb der Staatsanhänger besänftigen dürfte.

Denn die Abschreckung spielt für den Staat eine wesentliche Begründung für die Findung von Bestrafungsart und Strafmaß, die sich entsprechend in seiner Gesetzgebung wiederfinden. In einer privatrechtlichen Ordnung stünde vermutlich die Kompensation des Unrechts gegenüber dem Geschädigten und möglicherweise seiner Familie im Zentrum der Strafordnung. Das wäre für den Staat bisweilen allerdings schwierig bis unmöglich umzusetzen, da er zahlreiche Handlungen mit Strafen sanktioniert, bei der es keine Geschädigten oder Gefährdeten gibt, ja manchmal nicht einmal jemand, der von der strafbewehrten Handlung Notiz nehmen würde, wenn sie nicht der Staat verfolgte.

Es gibt also gute Gründe für den Staat, Anlässe einzurichten, bei denen er sich von seiner milden Seite zeigt, um seine Anhänger zu erfreuen.

Verwendet man eine Internet-Suchmaschine für das Stichwort „Begnadigung“ in diesen Tagen, so findet man einige Treffer mit den von US-Präsident Donald Trump ausgesprochenen Begnadigungen insbesondere zu den Teilnehmern des sogenannten „Sturms aufs Kapitol“ vor vier Jahren. Folgt man der Sichtweise des Präsidenten und hat man auch die merkwürdigen Umstände sowie die mediale Ausschlachtung damals verfolgt, so gibt es gute Gründe für die Annahme einer zumindest teilweise auch politisch motivierten Verfolgung der damaligen Akteure. Die durch Gewalt tatsächlich verursachten Schäden der „Kapitolstürmer“ dürften sich in Grenzen halten; zu Tode gekommen sind den Berichten zufolge ausnahmslos „Trumpanhänger“, sei es als medizinische Notfälle, sei es die unter sehr fragwürdigen Umständen von einem Polizisten erschossene Frau. Haftstrafen sind häufig bereits weitgehend verbüßt oder gar nur noch als zur Bewährung ausgesetzte Teilstrafen anhängig. In einer Begnadigung für diese Fälle kann schwerlich ein dem rechtlichen Frieden gefährdender Umstand gesehen werden.

Doch auch andere wurden von Trump begnadigt, wie Ross Ulbricht, der Gründer der freien Handelsplattform „Silk Road“. Mein Kollege, der Freiheitsfunken-Autor Sascha Koll, hat diesem Vorgang vergangene Woche seine Kolumne gewidmet. Zweifellos ist eine derartige Begnadigung im Sinne der Wiederherstellung von Recht, auch wenn dies im Mainstream anders gesehen wird. Jedenfalls erfolgte die Verurteilung nicht, weil Ross Ulbricht jemandem einen konkreten Schaden zugefügt hätte, sondern weil seine Plattform von anderen für vom Staat für illegal erklärte Tätigkeiten verwendet worden sein soll.

Zuvor hat der geschiedene Präsident Joe Biden in seinen letzten Amtstagen noch für einen neuen Begnadigungsrekord gesorgt. Auch hier finden sich hoch-berechtigte Fälle, wie Verurteilungen wegen gewaltfreier Drogen-„Delikte“. Ganz neue Maßstäbe hat Biden,der letztes Jahr mit dem markigen Bekenntnis „Niemand steht über dem Gesetz“ kritisch ein Gerichtsurteil des Supreme Courts zur Immunität seines Vorgängers im Amt – Donald Trump – kommentiert hat, jedochmit den Begnadigungen seiner Kumpels sowie seiner Familie gesetzt. Man könnte sagen, er hat das Verständnis des Begriffs der Begnadigung völlig neu interpretiert.

Schaut man sich auf deutschen Juristenseiten im Internet um, so versteht man unter einer Begnadigung das Absehen von der Strafvollstreckung trotz vorliegender Verurteilung. In diesem Sinne verstehe ich auch das englische „Pardon“ und habe zumindest keinen Hinweis finden können, dass es im angelsächsischen Verständnis da eine grundlegende andere Bedeutungsauffassung gibt – um die sicher vorhandenen juristischen Feinheiten im Rechtsverständnis geht es hier ja nun nicht. Denn was Biden als „Full and Unconditional Pardon“ für Anthony S. Fauci, bis 2022 Leiter des „National Institute of Allergy and Infectious Diseases“ (NIAID) und in dieser Funktion seit dem Kabinett von Ronald Reagan Berater aller Präsidenten, gewährte, hat mit dem, was im Allgemeinen unter einer Begnadigung verstanden wird, wenig zu tun.

Fauci wurde, ohne dass zuvor auch nur eine Anklage erhoben, geschweige denn ein Schuldspruch gefällt und ein Strafmaß verhängt wurde, ein generelles Pardon ausgesprochen bezüglich jeglicher Vergehen „gegen die Vereinigten Staaten“ seit dem 1. Januar 2014 (!), die in irgendeiner Weise in Bezug stehen mit seiner Tätigkeit als Direktor des NIAID, als Mitglied der Corona-Task-Force des Weißen Hauses, des Covid-19-Response-Teams oder als Berater des Präsidenten. Das ist ein so unerhörter Vorgang, wie sich ein Präsident in seinen letzten Amtstagen unter Missbrauch des Begnadigungsprivilegs präventiv über den gesamten Justizapparat seines Landes stellt, um eine Einzelperson über jenes beschworene Gesetz zu erheben, dass die mediale Aufnahme dieser kuriosen Begnadigungsinterpretation überraschend dünn ausfällt. Der Mediziner Gunter Frank hat eine kritische Würdigung dieses Falles auf der „Achse des Guten“ mit den wesentlichen Eckpunkten veröffentlicht (siehe unten).

Auch die Bezugnahme möglicher Vergehen „gegen die Vereinigten Staaten“ muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Immerhin steht der Vorwurf der verdeckten Umleitung von Steuergeldern in verbotene Biowaffenforschung (Moratorium 2014) im Raum sowie diesbezügliche konzertierte Vertuschung. Manchmal gibt sich der Staat Regeln, gegen deren Brechung Teile seiner ihn steuernden Interessengruppen gar nicht unbedingt etwas haben mögen. Ob dabei andere zu Schaden kommen, weil sie aufgrund von Verbrechen – auch nach den Regeln des Staates, die er unter dem Vorwand des Schutzes seiner Bürger erlässt – direkt betroffen oder durch Täuschung zu sich selbst schädigendem Verhalten verleitet wurden, spielt dann wohl keine Rolle. Verbrechen von Relevanz sind nur solche gegen den heiligen Staat. Wenn dieser mit ihnen leben kann – wozu eine Aufarbeitung, womöglich mit dem Versuch einer wenigstens teilweisen Schadenskompensation?

Die Anmaßung erinnert an den Anspruch der Katholischen Kirche, durch seine Diener den einzelnen Menschen von seiner Schuld vor Gott freisprechen zu können. Immerhin fordert diese Reue und Besserungsvorsatz als Voraussetzung, auch wenn man das mitunter schon mal nicht so genau genommen haben mag und vielleicht auch gar nicht konnte – welcher Mensch kann schon in das Gewissen eines anderen Menschen schauen? Die Erteilung einer bedingungslosen Generalabsolution für noch nicht einmal bekannte und formulierte „Sünden“ gegen den Staat bei möglichst noch Unterbindung der Schadensaufarbeitung fordert vom Publikum schon eine radikal verblendete, sektenhaft religiöse Verehrung des Staates als über dem Recht stehende Instanz, wenn man glaubt, mit so einem Konzept durchkommen zu können.

Quellen:

Ross Ulbricht ist frei! (Sascha Koll, Freiheitsfunken)

Wofür wurde Antony Fauci begnadigt? (Gunter Frank, Achgut.com)


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.