17. März 2025 16:00

Debatte im abgewählten Bundestag Erwischte Verbrecher schweigen

Die Totenstille im Parlament während Alice Weidels Rede spricht Bände

von Robert Grözinger

von Robert Grözinger drucken

Artikelbild
Bildquelle: photocosmos1 / Shutterstock.com Machte Friedrich Merz, den Totengräber Deutschlands, zur Schnecke: AfD-Vorsitzende Alice Weidel

Alices Weidels Rede im – abgewählten – Bundestag vergangene Woche war, wie immer, beachtenswert. In der Debatte um die Aufnahme von fast einer Billion Euro Schulden und den damit in Rekordgschwindigkeit, -zahl und -höhe gebrochener Wahlversprechen der CDU griff sie den Noch-nicht-und-bald-nicht-mehr Bundeskanzler Friedrich Merz frontal an. Sie zerriss ihn förmlich in der Luft und machte ihn öffentlich zur Schnecke, die er ist.

Das allein war sehr unterhaltsam und begrüßenswert. Nebenbei: Diese Rede wird sich auf die schwindsüchtige deutsche Außenpolitik auswirken. Ausländische Beobachter, insbesondere aus Ländern, in denen es nur zwei Geschlechter gibt und das Ideal des Mannes der Patriarch ist, werden aufmerksam registriert haben, wie der zukünftige deutsche Regierungschef von einer Frau zusammengestaucht wurde. Und ihm dabei keiner zu Hilfe eilte.

Noch aussagekräftiger als die Rede Weidels selbst war die vergleichsweise Stille im Plenum. Applaus gab es wie üblich lediglich von ihrer eigenen Fraktion, ansonsten nur Geraune auf niedrigem Pegel. Im Vergleich zum viehischen Gebrüll, spöttischen Gelächter und zu den geifernden Zwischenrufen, die der eigentlichen Oppositionsführerin regelmäßig entgegenschwallen, wann immer sie im Bundestag am Podium redet, war es geradezu totenstill.

Totenstille ist das passende Wort für die Lage. Und das angemessene Verhalten. Denn Merz sieht nicht nur aus wie ein Totengräber, er ist auch einer, objektiv betrachtet. Nicht nur der Totengräber der Schuldenbremse, wie Weidel in ihrer Rede sagte, sondern der Totengräber Deutschlands. Denn er verunmöglicht durch die geplanten Grundgesetzänderungen in Sachen Finanzen, Klimaschutz und Einbürgerung „in letzter Minute“, bevor die Zombie-Parteien ihre Zweidrittelmehrheit verlieren, zukünftigen Parlamenten eine rechtzeitige Kursänderung. Olaf Scholz war „nur“ der Verwalter des Leichenschauhauses. Wer oder was Deutschland umgebracht hat? Diese Lücke im Text mag der Leser selber füllen.

Getroffene Hunde bellen, heißt es. Aber erwischte Verbrecher schweigen.

Dieses Zombieparlament machte seinem Ruf durch seine gespenstische Stille während der Rede Weidels alle Ehre. Merz selbst versuchte, so gut es ging, so zu tun, als könne er seine Nemesis ignorieren. Aber die Tatsache, dass seine Hinterbänkler und die Mitglieder der SPD- und Grünen-Fraktionen so mucksmäuschenstill blieben, als die AfD-Walküre ihn verbal aufhängte wie Brünhild in der Nibelungensage König Gunther körperlich, spricht Bände.

Mit etwas Wohlwollen kann man sagen, dass manche still blieben, weil sie sich schämten. Solche sind vor allem in der Unionsfraktion zu vermuten. Sie haben die zornigen Botschaften, die sie jetzt von ihren Wählern und ihrer Basis bekommen, vernommen. Sie sind bereits zu sehr im System verhaftet, um ihnen entsprechend zu handeln. Sie haben nicht die moralische Kraft, ihrem Gewissen zu gehorchen – wenn sie diese Kraft jemals gehabt haben. Sie sind politische Zombies.

Andere hingegen bleiben still, weil sie wissen, dass Gebrüll an dieser Stelle für sie kontraproduktiv wäre. Es war schon immer so, dass Großfinanz – Stichwort „Blackrock“ – und Sozialismus sich gegenseitig bedingten. Der Sozialismus braucht die Megakohle, um seine utopistischen Träume in Angriff zu nehmen. Die Großfinanz wiederum braucht den Sozialismus, da es ohne ihn diese Wahnsinnsprojekte und Menschheitsbeglückungsprogramme nicht gäbe – und auch nicht das Chaos, das sie verursachen, das aufzuräumen wiederum Abermilliarden kostet, die finanziert werden müssen.

Die Schuldenbremse ist ein erst 2009, in Reaktion auf die Finanzkrise in das Grundgesetz aufgenommenes Instrument, also relativ neu. Sie ist aber der Tradition der seit Ende des Zweiten Weltkriegs bestehenden vergleichsweise restriktiven Fiskalpolitik (West-)Deutschlands verhaftet. Mit dieser Tradition war die Bundesrepublik seit ihrer Gründung gar nicht so schlecht gefahren. Innerhalb von einem Jahrzehnt von Null auf Hundert, vom Ruinenfeld der Stunde Null auf führende Industrienation – das muss man erstmal nachmachen.

Ein Grund, warum die Bremse jetzt panisch gelockert wird, ist, dass in den vergangenen etwa sechs Jahrzehnten das angehäufte Kapital massiv verbraucht wurde, man also fiskalisch nicht mehr so restriktiv war, wie man hätte sein sollen. Unter anderem auch deswegen, weil die meisten, die an die Schalthebel der Macht gelangen, keine Ahnung davon haben, was für Nebenwirkungen ihre Entscheidungen über Steuern, Schuldenaufnahmen und Ausgaben haben. Oder, wenn sie eine Ahnung haben, sich darüber keine gebührenden Sorgen machen. Oder die Nebenwirkungen sogar, wie im Fall der Grünen, sehr wahrscheinlich beabsichtigen.

So ist das Geld nun entweder weg – aus dem Land gebracht –, verkonsumiert und/oder inflationär entwertet. Seit der Vermengung mit anderen Währungen erst recht. Also wird nun schnell quasi aus dem Nichts weiteres Geld herbeigezaubert. Vielleicht träumt so mancher Zombie vom Fliegen, etwa so: Wir fahren gegen die Wand, also lasst uns die Bremse lösen, damit’s noch schneller geht – dann fliegen wir über die Wand hinweg.  

Die herrschende Klasse hat die 100 Jahre alte Lektion in Deutschland über die Gefahren einer inflationären Politik nun vollständig ad acta gelegt. Es ist praktisch niemand mehr vorhanden, der die Hyperinflation bewusst erlebt hat. Es sind zu wenige vorhanden, die sich an die Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern können. Alle anderen haben von diesen Ereignissen in der Schule und den Medien gar nichts, zu wenig und/oder zu sehr Verzerrtes erfahren. Die Österreichische Schule der Ökonomie warnte vor der Hyperinflation, vor der Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er Jahre und auch vor der Finanzkrise 2008. Sie warnte – und warnt – eindringlich vor dem Sozialismus. Aber diese Denkschule wird in akademischen Kreisen ebenso ausgegrenzt wie die AfD in politmedialen Kreisen. 

Damit sind wir bei den beiden sich gegenseitig bedingenden Grundübeln unserer Zeit: Das Teilreservebankwesen und die staatliche Übernahme des Bildungswesens.

In keinem Land wird die Doktrin der staatlichen Beschulung so religiös hochgehalten wie in Deutschland. Kein Wunder, wurde sie doch hier, genauer gesagt in Preußen, erfunden. Sie ist ein negatives Erbe des Reformators Martin Luther, der als erster die Idee hatte, die Feudalherren zu verpflichten, eine Grundbeschulung aller Menschen zu finanzieren. Seine Absicht war, alle zu befähigen, die Bibel selber lesen zu können. Ein an sich nobles Unterfangen. Aber: Den Staat dazu aufzufordern, einen empfundenen Mangel zu beseitigen, weckt in ihm nur ungute Begehrlichkeiten. Ob es Luthers Absicht war, dass die Feudalherren oder ihre Nachkommen im Amt diese Idee zum Anlass nehmen, steuer- und inflationsgeldfinanziert die Köpfe ihrer Schüler mit allerlei etatistischem Unsinn zu füllen, ist unwahrscheinlich. Das entbindet ihn aber nicht von der Mitverantwortung für das Resultat.

Das Resultat heute ist: Finanziell wie inhaltlich hat der Staat ein entscheidendes Sagen darüber, was seine „mündigen“ Bürger zu denken und wie sie zu handeln haben. Entsprechend wählen sie ihre Repräsentanten. Entsprechend „protestieren“ sie auf Zuruf. Entsprechend halten sie den Mund, wenn es ihnen so „empfohlen“ wird. Daraus entstand unser nur noch selbstreferenzielles System – andere nennen es eine „Freiluftirrenanstalt“ –, das für von außen kommende Korrekturvorschläge nicht mehr aufnahmefähig ist. Nur in Ausnahmefällen wie die Totalkatastrophe der erwähnten Stunde Null gibt es eine Chance, dass ein gewisses Umdenken einsetzt. Eine solche Totalkatastrophe wird immer wahrscheinlicher. Wenn die Grundgesetzänderungen kommen, fast unausweichlich.

Quellen:

Rede von Alice Weidel (Youtube)

Brünhild lässt Gunther in der Hochzeitsnacht hängen (Aquarell von Johann Heinrich Füssli, 1807, Wikipedia)


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.