Fass ohne Boden: Der endlose Bahnhof
In Stuttgart war noch was…
von David Andres
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Derzeit blicken alle angstvoll nach vorn, denn der dieser Tage publizierte, 144 Seiten starke Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ist die nächste große Geldvernichtungsmaschine. So leicht lassen sich dieser Tage dramatische Überschriften formulieren. „Merz legt sich unters Klingbeil“, habe ich irgendwo gehört. Wäre ich Titelseitentexter, würde ich aufmachen mit: „Jetzt ist es amtlich – Deutschland wird ausgemerzt.“
Doch bevor wir schauen, was alles kommen wird, schauen wir doch lieber mal wieder zurück, wo der Staat seine realsatirische Inkompetenz bereits bewiesen hat und weiter beweist.
Eines der größten Fässer ohne Boden bleibt das Bahnprojekt „Stuttgart 21“. Die meisten haben es längst dermaßen verdrängt, dass eine Eröffnung die Menschen dermaßen überraschen würde, als wäre aus dem Nichts ein Bahnhof entstanden. Ganz zu Beginn – Mitte der Neunzigerjahre – setzte die Bahn die Kosten mit 2,5 Milliarden an, die schneller als ein Flohsprung auf 4,5 Milliarden Euro erhöht werden mussten. Diese Marke ist zum letzten offiziellen Stand von Dezember 2023 um rund 180 Prozent überschritten, derzeit liegt man im Schwabenland bei knapp 11,5 Milliarden Kosten. Doch inwiefern kam auch dieses Geld von uns als Steuerzahlern?
In direkter Form hat der Bund 1,5 Milliarden Euro in das Projekt gesteckt, mittels Investitionsmitteln für das Regionalverkehrsnetz sowie Fördertöpfen wie dem „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ (GVFG), welches die Eleganz des Bürokratendeutschs unterstreicht. Das Land Baden-Württemberg hat über 500 Millionen beigesteuert, teils aus Rücklagen und Zinsen, die Landeshauptstadt Stuttgart die gleiche Summe, um die freiwerdenden Bahnflächen zu bekommen und die Erlöse in die Projektfinanzierung zu stecken. Jeder Tag, der vergeht und jeder Euro, der mehr durch das Loch im Fassboden sickert, belastet bis heute indirekt den Steuerzahler, da der wichtigste Eigentümer der Deutschen Bahn weiterhin der Bund ist, der Verluste jederzeit über den Bundeshaushalt ausgleichen kann.
„Wie kann sowas passieren?“, fragt sich der wohlmeinende Mensch, der weiterhin einen Restglauben an Projekte hat, in welche der Staat involviert ist. Zum Beispiel dadurch, dass man die Kosten und den Aufwand einer Sache zu Beginn absichtlich zu niedrig ansetzt, um sich die politische Zustimmung zu sichern – noch bevor alle technischen wie geologischen Fragen geklärt sind. Man kennt das von Teenagern: „Nein, Papa, ich lade wirklich nur die fünf engsten Freunde zum 18. Geburtstag ein.“ Ähnlich naiv wie die Teenager gingen die Bahnhofserbauer vor, indem sie erst spät feststellten, dass der Tunnelbau durch Anhydrit-Gestein bedeutend kostenintensiver ist als gedacht, da es bei Kontakt mit Wasser stark aufquillt und aufwendige Abdichtungsmaßnahmen erfordert. Umfangreiche Umwelt- und Artenschutzauflagen glaubte man durch Ignorieren und Verdrängen aus der Welt schaffen zu können, ebenso die absehbare Tatsache, dass sowohl das Baumaterial als auch die Lohnkosten beständig im Preis steigen, wenn man nicht so schnell baut wie der Chinese.
Zum Schluss möchte ich Ihnen aber doch ein frisches Bonmot der kommenden Regierung auftischen, das Sie sich bitte angesichts von Projekten wie „Stuttgart 21“ oder auch dem „Flughafen“ Berlin-Brandenburg ganz genüsslich auf der Zunge zergehen lassen: Union und SPD haben ein neues „Ministerium für Technologie und Raumfahrt“ angekündigt und legen es in die Hände der CSU und somit des bekennenden „Star Trek“-Fans Markus Söder.
Die Enterprise, sie wird aus Deutschland kommen.
Ganz bestimmt.
Quellen:
Das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm ist finanziell in zwei Abschnitte geteilt (ITS)
Neuordnung Bahnknoten Stuttgart (S21) Finanzierung (Bahnprojekt Stuttgart-Ulm)
Killer-Fakten ohne Ende (Kontext)
Stuttgart 21: Deutsche Bahn sieht weiterhin gemeinsame Finanzierungsverantwortung aller Projektpartner (Deutsche Bahn)
Neues Raumfahrt-Ministerium: Bayerischer Größenwahn – oder smarte Idee? (Tagesspiegel)
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