Fass ohne Boden: Autonome Staatszitzensauger und grüner Waschbeton
Ist das Kunst oder kann das weg?
von David Andres drucken

Ab dieser Folge sammle ich in dieser Kolumne gleich mehrere Beispiele und Begebenheiten. Dieses Mal spendiert die Politik Linksextremen den Umzug und der Landschaft ein paar „Gestaltungselemente“.
Die maroden Wände sind von Graffiti übersät, teilweise ist die Hausfront vollflächig gefärbt, auf schwarzem Grund sticht die riesige Grafik mit „Refugees Welcome“ hervor. „Gegen Kapitalismus“ steht in großen Lettern aus der Sprühdose an der fensterlosen Flanke. Vorne prangt die Selbstdefinition: „Für unkommerzielle, selbstorganisierte Kunst, Kultur und Politik“ tritt die Einrichtung ein. Die Rede ist, Sie ahnen es vielleicht schon, von einem sogenannten „Autonomen Zentrum“.
Autonom. Unabhängig. Niemals könnte das Gelächter größer sein als bei diesen Bezeichnungen. Aber während wir lachen, klimpern erneut die Münzen im Fass ohne Boden. Das AZ Köln-Sulz, deren Bewohner sich „offen gegen Staat und Kapitalismus stellen“, wie die Welt sagt, lassen sich „den anstehenden Umzug“ von der Stadt mit 1,165 Millionen Euro Steuergeldern bezahlen – befürwortet im Stadtrat mit den Stimmen von Grünen, Linken und Volt. Die örtlichen Parteien der aktuellen Bundeskoalition enthielten sich, die FDP – in NRW noch vertreten – stimmte als einzige dagegen. Rund 400 Millionen fehlen der Stadt laut des Berichts ohnehin für Infrastruktur aller Art. Die gesicherten Linksextremisten erhalten ihr neues, städtisches Gebäude neben „einem Busunternehmen und einer Kampfsportschule“, die beide „nicht gefragt“ wurden – und ganz sicher als produktive Instanzen der Gesellschaft keine staatliche Förderung erhalten.
Im Vergleich zu garstigen Linksextremen eher drollig, mit ganzen sieben Millionen Euro Steuergeldern aber deutlich teurer, ist das „Grüne C“ in Sankt Augustin, ein groß angelegtes Landschafts- und Kulturprojekt, das ursprünglich als Symbol für nachhaltige Stadtentwicklung und Naherholung im Rhein-Sieg-Kreis gedacht war, jedoch wegen ausufernder Kosten und fragwürdiger Nutzenbewertung immer wieder in die Kritik geraten ist. Dort stehen mitten in der Landschaft unattraktive, abstrakte „Gestaltungselemente“ aus Waschbeton, hinter denen unbedarfte Menschen am ehesten noch Sitzbänke vermuten. Der Planer des „Landschaftsraumes“, Rainer Gleß, klärt auf: Es handelt sich mitnichten um eine Bank, sondern um ein „C-Signet“, ein „immerwährendes Symbol für das Grüne C“, das „von den Menschen mittlerweile durchaus als solches wahrgenommen“ werde. Ich gebe zu, liebe Leser – der Videobericht dazu aus der „extra3“-Reihe „Realer Irrsinn“ ist zehn Jahre alt – aber das Landschaftsprojekt existiert bis heute und ist ungebrochen zu besichtigen. Die beste Stelle in dem sehenswerten Video ist eine betonierte „Aussichtsplattform“ direkt am Feldweg, ebenerdig, ein „Tableau“, das dazu diene, „unmittelbar zur Kante zu gehen und von dort aus den Blick über die ganze Umgebung ein wenig schweifen zu lassen“ – was ohne Betonplatten im Boden sicher nicht möglich gewesen wäre. Deren Zugang unterteilt sich zudem in von matschigem Boden unterbrochene Streben, in denen Kinderwägen hängen bleiben. Und es würde mich nicht wundern, wenn der „über die ganze Umgebung ein wenig“ schweifende Blick bald Windräder ins Sichtfeld bekäme… oder hat er schon? Ortskundige mögen es in die Kommentare schreiben.
Für derlei hochgeistigen Freisinn von Kunst im Raum dürfte es im „Autonomen Zentrum“ kaum Sinn geben. Hier herrschen ja üblicherweise marxistische Lesekreise und laute Konzerte der lokalen Ausschussware an Punk und Hardcore vor. Das neue, ebenfalls alte Gebäude ist die ehemalige Zentrale der Rechtsrheinischen Gas- und Wasserversorgung AG (RGW), ein Teil des Gewerbehofs In den Reihen 16. Bisherige Mieter, die ihre Verträge laut Liegenschaftsamt „unter der Annahme geschlossen“ hatten, „dass es sich lediglich um eine temporäre Nutzung der Liegenschaft handelt, bis sie endgültig umgenutzt wird“, sind über deren Kündigung informiert. Der Vertrag für das „Autonome Zentrum“ soll über 80 Jahre laufen, mit der Option auf zweimalige Verlängerung um jeweils zehn. Damit erhalten die an der Staatszitze saugenden „Autonomen“ Planungssicherheit bis ins Jahr 2125 – wenn in Sankt Augustin der Waschbeton längst zerbröselt ist.
Quellen:
Wenn das klamme Köln 1,2 Millionen Euro für ein linksautonomes Zentrum zahlt (Welt)
Umzug des Autonomen Zentrums soll Stadt Köln eine Million Euro kosten (Kölnische Rundschau)
Realer Irrsinn: Das grüne C | extra 3 (NDR, Youtube)
Kommentare
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