EU-Mikrochip-Pflicht für Haustiere: Auf den Hund gekommen und alles für die Katz‘
Mehr Bürokratie und Kontrollaufwand
von Klaus Peter Krause drucken
Für die beiden beliebtesten Haustiere plant die EU eine Mikrochip-Pflicht – ein Mehr an Bürokratie wird entstehen, kein Weniger – zu regeln ist gar manches – der Chip als Köder für die Tierhalter – Chip-Implantation für Katz‘ und Hund findet in Sonderfällen bereits statt – der Chip: klein wie ein Reiskorn, ohne Strombedarf, wartungsfrei, haltbar ein Hundeleben lang – begründet wird die Chip-Pflicht mit dem illegalen Handel – Chips für 198 Millionen Hunde und Katzen in der EU und das kontrollieren? – Verordnetes stößt auf Widerstand und wird umgangen – Freiwilligkeit ja, amtliche Pflicht nein – Chip, Chip, hurra und zu was das führt.
Was Menschen können, das machen sie auch – im Guten wie im Bösen, im Privatleben wie in der Politik. Manches klingt anfangs gut, endet aber böse. Andersherum kommt’s eher seltener vor. So eben ist die Welt, in der wir leben. Dazu gehört auch, dass politische Führungen, zumal in der Demokratie, nie auf die Idee kommen, still und unauffällig vor sich hin zu regieren, das vorgegebene Regelwerk nur als Ordnungsrahmen, als Rahmenprogramm aufzufassen, sonst aber, bitte, nichts zu tun und ihr Volk, von dem sie von Zeit zu Zeit gewählt werden sollen, beim Schaffen und Leben nicht zu stören. Man möchte ihnen zurufen: Werdet in Herrgottsnamen Kanzler, Minister, Abgeordneter oder was sonst noch Schönes im politisch-bürokratischen Milieu, aber wenn ihr’s seid, lasst mich in Ruhe, seid faul, nicht fleißig.
Das aber bringt diese Spezies nicht fertig, das ist nicht ihre Natur. Sie will zeigen, was sie alles tut und tun kann. Sie traut ihrem Volk nicht, traut ihm auch nicht genug zu. Sie verfällt immer wieder auf alle möglichen Ideen. Sie bestimmt gern, reguliert gern, maßregelt gern, will unentbehrlich erscheinen, ist geltungssüchtig. So richtet sie immer mehr an. Ihre Beweggründe – echte, vorgebliche, eigensüchtige – lassen wir mal beiseite. Gerade ist sie dabei, abermals etwas anzurichten. Mit ihrer jüngsten Idee ist sie gleichsam auf den Hund gekommen, und alles dabei wird für die Katz‘ sein, im Sinn von vergeblich, überflüssig, nicht sinnvoll.
Ein einheitlicher EU-Mikrochip für jeden Hund, für jede Katz‘
Gerade war zu lesen, Hunde und Katzen sollten einen Mikrochip implantiert bekommen. Vertreter von EU-Parlament und EU-Mitgliedstaaten hätten sich in Straßburg darauf geeinigt, dass alle in der EU gehaltenen Hunde und Katzen durch einen Mikrochip identifizierbar sein müssten. Der Vorschlag dafür stammt aus dem Jahr 2023 und kommt – von wem wohl? – klar, von der EU-Kommission. Parlament und Mitgliedstaaten haben über die Einigung natürlich noch abzustimmen. Wird vermutlich klappen. Für jeden Hund und für jede Katze soll es dann einen einheitlichen EU-Chip und EU-Papiere geben und alles dokumentiert werden. Also eine Chip-Verpflichtung. Also eine Art Tier-Personalausweis oder Kfz-Nummernschild. Aber nicht von sofort auf gleich. Vorgesehen sind lange Übergangsfristen: für Hunde in zehn Jahren, für Katzen in fünfzehn. Dann leben die heutigen Vierbeiner schon nicht mehr. Den Chip verpasst bekommen also erst die neuen Lieblinge. Der Handel dagegen soll bis zur Neuregelung nur vier Jahre Zeit haben.
Ein Mehr an Bürokratie wird entstehen, kein Weniger
Man kann sich ausmalen, welche zusätzliche Bürokratie die Chip-Pflicht in Bewegung setzt. Immerhin tummeln sich in der EU nach jüngsten Daten schätzungsweise 108 Millionen Katzen und 90 Millionen Hunde. In vielen Haushalten sind beide Tierarten ein fester Bestandteil. Schöne Aussichten. Ist uns nicht Bürokratie-Abbau versprochen worden statt zusätzlicher Bürokratie-Aufbau? Damit war wohl nix, wir haben uns wohl alle verhört.
Zu regeln ist gar manches
Mit eingeführter Chip-Pflicht ist gar manches zu regeln. Wer darf die Chips produzieren? Welche Institution programmiert den Chip mit was genau? Wann bekommt das Tier den Chip verpasst? Gleich nach der Geburt? Beim ersten Verkauf? Wer darf implantieren? Nur der Tierarzt? Oder auch der Züchter? Wer nicht? Wer kontrolliert, ob jedes Tier, das in der EU herumläuft, den Chip hat? Der Tierarzt? Die Polizei? Das örtliche Ordnungsamt? Laufen deren Hilfskräfte dann mit einem Chipprüfgerät herum? Und wie schaffen sie das Prüfen bei Freigängerkatzen? So manche von ihnen ist nicht zu jedem zutraulich und haut einfach ab. Wie oft wird kontrolliert? Zufallskontrolle beim Gassigehen oder durch regelmäßige Vorführung des Tiers wie des Autos beim TÜV? Jährlich? Halbjährlich? Es wird sich krimineller Missbrauch mit dem Chip entwickeln. Wie ihn durch wen bekämpfen? Und, und, und. So entsteht ein neuer Geschäftszweig – für die Bürokratiegewinnler mit zusätzlichen Verdienstmöglichkeiten und für die Bürokratieverlierer, die Tierhalter, mit zusätzlichen Kosten.
Technisch mit RFID kein Problem
Technisch ist das natürlich alles kein Problem. Für die Chips genutzt wird, so erfährt man beim Stöbern im Internet, die Radio-Frequency-Identification-Technik (kurz RFID). Es ist eine Funk-Kommunikationstechnik, die mit zwei Bestandteilen funktioniert. Der eine, Transponder genannt, ist ein kleines elektronisches Bauteil mit einer integrierten Antenne, die Informationen drahtlos an den zweiten Bestandteil, eine Lesestation, sendet. Durch ein Signal von diesem Lesegerät wird der Transponder aktiviert, der daraufhin seine gespeicherten Daten an das Lesegerät zurücksendet. Eingesetzt wird die RFID-Technik für das Identifizieren von Objekten in vielen Bereichen: in der Logistik, der Industrie, der Verwaltung, der Medizin, im Einzelhandel.
Klein wie ein Reiskorn, ohne Strombedarf, wartungsfrei, haltbar ein Hundeleben lang
Der Transponder enthält den Chip und eine winzige Antenne. Der Chip kann eine 15-stellige Identifikationsnummer übermitteln und ist umschlossen von Bio-Glas. Der Chip ist passiv, sendet also von sich aus keine Strahlung und wird erst aktiv, wenn das Lesegerät Signale an ihn schickt. Der Vorteil ist: Er braucht keine Stromversorgung, also keine Batterie, keinen Akku. Dadurch ist er so haltbar und wartungsfrei, dass das gute Tier in seinem Leben durchweg mit nur einem Chip auskommt. Dabei sind die RFID-Transponder für Tiere etwa nur so klein wie ein Reiskorn und werden mit einer Spritze injiziert, meist im Nackenbereich des Tieres. Schmerzen verursacht die Injektion ähnlich wie die Spritze beim Impfen, nach Angaben von Tierärzten so gut wie keine, so dass diese von einer Betäubung absehen.
Der Köder für die Tierhalter
Nach der Injektion wird die Identifikationsnummer an ein Tierregister geschickt, in dem die eigentlichen Informationen wie die Herkunft, möglicherweise der Züchter, aber auch Informationen zum Halter gespeichert sind. Über das Lesegerät, das auf wenige Zentimeter Nähe zum Chip gebracht wird, kann die Nummer ausgelesen werden. Bürger mit Hund oder Katze zuhause werden das prima finden, denn durch Abgleich mit den Daten in der Datenbank, so versprechen die Chip-Pflicht-Akteure, können gestohlene oder entlaufene Hunde und Katzen ganz leicht zu ihren Haltern zurückgebracht werden. Das ist ein Köder, auf den die Halter dieser Tiere vermutlich gerne anbeißen. Aber wie oft kommt das vor? Nicht oft genug, um den mit der Chip-Pflicht verbundenen Bürokratieaufwand zu rechtfertigen. Direkter helfen als ein Chip würde wohl ein Tierhandelsverbot. Aber auch das wird umgangen und muss überwacht werden.
Chip-Implantation für Katz‘ und Hund findet in Sonderfällen bereits statt
Neu allerdings ist das Implantieren von Chips in Katz‘ und Hund hierzulande nicht, es gehört aber zum Kompetenzbereich der Bundesländer. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel dürfen große Hunde nur gehalten werden, wenn sie mit einem Mikrochip als Ausweis versehen sind. Für Katzen gibt es Verordnungen zu Mikrochips in Städten. Düsseldorf zum Beispiel ordnet an: „Freigänger-Katzen müssen eindeutig und dauerhaft, entweder durch Mikrochip oder durch Tätowierung gekennzeichnet werden und im Melderegister des Amtes für Verbraucherschutz eingetragen sein.“ Auch wer innerhalb der EU mit Hund oder Katze eine Grenze passieren will, muss das liebe Tier nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes vorher mit einem Chip ausrüsten. Bei solchen Fällen sollte es aber auch bleiben. Übergriffiges der EU mit vorgeschobenen schönen Argumenten haben wir schon mehr als genug.
Begründet wird die Chip-Pflicht mit dem illegalen Handel
Gerichtet ist die geplante Chip-Pflicht für sämtliche Hunde und Katzen in der EU vor allem gegen den illegalen Handel mit diesen Tieren, versichern die Befürworter. Der Handel mit Hunden aus zweifelhafter Herkunft sei in der EU ein Riesengeschäft. Kriminelle Händler führten die Tiere illegal nach Deutschland ein, verkauften sie hier mit Werbefotos von den Tieren über Online-Plattformen. Übergeben würden sie dann an die neuen Halter anonym auf Parkplätzen, in angemieteten Wohnungen oder auf Hinterhöfen. Mit den Chips glaubt die EU-Kommission, Herkunft und Gesundheitsstatus der Tiere verlässlich nachprüfen zu können. Denn müssten erst alle Tiere registriert werden, würde sich die Rückverfolgbarkeit enorm verbessern.
Die „Hundemafia“ soll gestoppt werden
Daneben sind auch EU-weite Mindeststandards zur Haltung, zur Zucht und zum Verkauf vorgesehen. Die neuen Regeln sollen es Kriminellen erschweren, rechtswidrig gehaltene oder eingeführte Tiere weiterzuverkaufen. Die EU will mit dem Gesetz aber auch die vollen Tierheime entlasten. Viele Tiere dort würden unter schlimmen Bedingungen gezüchtet und verkauft, um schnelles Geld zu machen. Es gehe um die fragwürdigen Geschäfte der „Hundemafia“, vor allem mit Welpen. Das solle gestoppt werden. Die Chip-Pflicht decke kriminelle Netzwerke auf und entlaste die Kommunen. Mit den Chips werde es schwieriger werden, Tiere, die rechtswidrig gehalten würden oder in die EU gebracht worden seien, weiterzuverkaufen. Schwieriger mag sein, aber verhindern wohl nicht. Das räumen die Befürworter selbst ein. Die neue EU-Regelung werde das Problem nicht vollständig lösen, aber es sei gegen diesen internationalen, skrupellosen Tierhandel ein wirklich sehr wichtiger Schritt.
Chips für 198 Millionen Hunde und Katzen in der EU und das kontrollieren?
Die Begründungen für die Chip-Pflicht klingen harmlos, einleuchtend, gehen zu Herzen. Tiere schützen, wer wollte das nicht. Aber mit einer allgemeinen Chip-Pflicht für alle 198 Millionen Hunde und Katzen in der EU? Ihnen den Chip zu verpassen und in der Folgezeit zu kontrollieren, ob alle brav den Chip auch tragen, kostet Zeit, kostet Geld. Schon dieser Aufwand sollte von dem Vorhaben abschrecken. Und wie soll die Chip-Pflicht verhindern, dass die Tiere illegal nicht doch gehandelt werden und ohne Chip in die EU gelangen? Oder werden Kriminelle nicht Wege finden, ihre illegale Tierware mit manipulierten Chips auszurüsten, die eine anerkannte, aber vorgetäuschte Herkunft bescheinigen? Ist es doch der bekundete Sinn der Chip-Pflicht, dass Tierliebhaber Hunde und Katzen nur noch erwerben, wenn sie gechipt sind.
Freiwilligkeit ja, amtliche Pflicht nein
Vieles, was der Staat mit seinen Behörden verordnet, erzeugt gern Widerstand und stößt auf Menschen, die das Verordnete zu umgehen suchen. Zoll und Polizei werden Chip-Kontrollabteilungen einrichten müssen. Erleichtert wird der illegale Handel auch durch die Online-Werbung und den Online-Handel, der sich ausgeweitet hat, weil beides ein breites Publikum erreicht. Und der Online-Handel bleibt erlaubt. Kurzum, sind die Begründungen wirklich plausibel? Wird das Begründete funktionieren? Nein. Es ist überflüssig. Ob die genannte Begründung der Chip-Pflicht, appellierend an die Gefühle, an die Tierliebe der Menschen, ihren Zweck erfüllt und wirklich notwendig ist, überzeugt nicht. Vergebung für das Wortspiel, aber es drängt sich nochmals auf: Obwohl für die Katz‘ gedacht, ist es für die Katz. Wer den Chip für seinen Liebling verwenden will, um ihn leichter zurückzubekommen, wenn er entlaufen ist oder geklaut wurde, soll das tun. Freiwilligkeit ja, amtliche Pflicht nein.
Chip, Chip, hurra und zu was das führt
By the way: Diese Chip-Pflicht für die beiden Haustierarten lässt sich auch als Vorstufe und Probelauf zur Verwendung am Menschen wahrnehmen. Der Verdacht liegt nahe, ob nicht auch andere Motive hinter der Chip-Pflicht stecken oder, wenn nicht, ob dies nicht auch ohne Vorabsicht zu Weiterungen führen wird: Was bei Hunden und Katzen geht, müsste doch auch bei Herrchen und Frauchen gehen sowie bei den übrigen Menschen, die diese Haustiere im Haus nicht haben. Viele laufen doch schon mit dem Ersatzteil Herzschrittmacher herum? Warum nicht auch mit einem Chip, bei dem sich abrufen lässt, wer dieser Mensch ist? Chip, Chip, hurra, werden die üblichen Verdächtigen werbend verlangen. Personalausweis adieu, Chip genügt. Führerschein und dergleichen ebenfalls. Weg damit. Ist doch viel bequemer, kein Papierkram mehr. Seine diesbezüglichen Gedanken weiter schweifen zu lassen, sei der Phantasie jedes Einzelnen selbst anheimgestellt. Nochmals: Was Menschen können, das machen sie auch.
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