Bundeswehrpläne: Wehrkraftzersetzendes
Die echte Wehrfähigkeit zeigt sich im Abwehrwillen gegen staatliche Übergriffe
von Christian Paulwitz drucken
Manchmal habe ich den Eindruck, Politikergedanken sind so leicht zu lesen wie Kinderbücher. Möglicherweise glauben Sie jetzt zu wissen, an wen ich mit diesen Worten denke, aber ich bin ja kein Politiker. Andererseits hatte natürlich der, an den Sie vielleicht gedacht haben, bereits ein Stichwort gegeben, als er jüngst ganz unverblümt in der Öffentlichkeit erklärte, sein Heizungsgesetz sei eigentlich nur so etwas wie ein Test gewesen, um zu sehen, wie weit die Bevölkerung mittlerweile bereit sei, Maßnahmen für den „Klimaschutz“ hinzunehmen, die mit hohen Kosten und Einschnitten für sie verbunden sind. So weit wie erhofft war sie da eben noch nicht. Wenn man politische Vorgaben und Gesetze mehr unter dem Aspekt sieht, dass sie dem Zwecke des Tests des aktuellen Stands der Duldungsbereitschaft der Untertanen dienen könnten, geben sie meist weitaus mehr Sinn, als wenn man diesen expressis verbis sucht.
Sehen wir uns unter diesem Gesichtspunkt doch einmal an, was Verteidigungs- und im Falle des Falles dann auch Kriegsminister Pistorius vergangene Woche zum neuen Wehrdienstkonzept der Bundeswehr vorgestellt hat. „Der Verteidigungsminister setzt auf einen Auswahlwehrdienst, der auf Freiwilligkeit beruht, im Bedarfsfall aber auch verpflichtende Elemente beinhaltet.“ So heißt es auf der Seite seines Ministeriums. – Ja, was nun? Freiwilligkeit oder Zwang? Schauen wir uns das inhaltlich genauer an:
„Das neue Wehrdienstmodell sieht vor, dass Frauen und Männer mit Erreichen des wehrdienstfähigen Alters angeschrieben werden. Männer müssen einen Fragebogen ausfüllen und zurücksenden. Frauen können dies freiwillig tun. Die Bundeswehr wird ein breites, digitales Informationsangebot bereitstellen, so dass sich Interessierte noch umfassender über den Auftrag und die Möglichkeiten der Bundeswehr informieren können. Durch diese direkte Ansprache werden sich mehr junge Frauen und Männer mit der Bundeswehr und ihren Aufgaben zur Verteidigung der Sicherheit Deutschlands auseinandersetzen.
Auf der Grundlage der ausgefüllten Fragebögen erfolgt die Einladung zur Musterung und anschließend die Auswahl der Geeignetsten und Motiviertesten. Es erfolgt also eine Auswahl nach Qualitätskriterien.
Den ausgewählten jungen Männern und Frauen steht die Möglichkeit offen, einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder bis zu insgesamt 23 Monate Wehrdienst zu leisten. Die Bundeswehr bietet denjenigen, die sich über sechs Monate hinaus verpflichten, Weiterqualifizierungsmöglichkeiten.“
Der Vorstoß steht natürlich im Zusammenhang mit Pistorius‘ Ziel der Wiedererreichung der „Kriegstüchtigkeit“, für das eine Berufsarmee mit den bisherigen Hauptzielen der Diversität der Truppe, antifaschistischer Integrität und ausreichender Zahl von Kita-Plätzen für Soldatinnen bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Material und Ausrüstung in den letzten Jahren offenbar nicht mehr ausreichend konsistent aufgestellt ist: Das Menschenmaterial wird knapp.
Vor einigen Wochen habe ich an dieser Stelle die These in den Raum gestellt, dass der Übergang von der Wehrpflicht- zur Berufsarmee durch den Staat nicht aus freiheitlichen Überzeugungen heraus vollzogen wurde, sondern weil er – im Falle der USA – nach der Katastrophe des Vietnamkriegs für die Heimatfront dazu gezwungen war, um künftig mit dem Militär in aller Welt noch interventionistisch aktiv sein zu können. Mir schwante daher bei der „Aussetzung der Wehrpflicht“ in Deutschland 2011 bereits nichts Gutes, wurde doch erklärtermaßen mit dem Geschwätz von der zunehmenden „Verantwortung, die Deutschland“ in der Welt übernehmen müsse, die Bundeswehr für ein verändertes Aufgabenfeld vorbereitet. Das Volk – und ebenso die Politik – tut sich erheblich leichter, Soldaten in alle Welt zu schicken und dort auch sterben zu lassen, wenn es sich überwiegend damit trösten kann, dass dies dem Sohn, Bruder, Ehemann, Vater nicht passieren könne, wenigstens solange er sich nicht zum Soldatendienst meldet. Dumm für die Politik nur, wenn sich nach ihrer Einschätzung zu wenige freiwillig melden, was bei nachlassendem Vertrauen in die Friedfertigkeit der Politik nach außen innerhalb weniger Jahre eine zusätzliche Dynamik entfalten kann, die jetzt noch gar nicht absehbar ist, da die meisten Soldaten noch weit vor dem im Verlauf des russischen Ukrainekriegs zunehmenden Kriegsgeschreis hierzulande in die Armee eingetreten sind.
Da ist es doch ein Politikergedanke, wie er im Buche steht, erst einmal einen Honigtopf aufzustellen. Und damit die Rekruten, die man fangen möchte, diesen nicht geflissentlich übersehen, nimmt man einen zunächst sanften Zwang zu Hilfe. Es ist ja nur ein Fragebogen, den junge Männer ausfüllen müssen und junge Frauen ausfüllen „dürfen“. Das tut ja nun nicht weh, und es wird ja keinerlei Verpflichtung eingegangen. – Tatsächlich? Was macht denn der Staat mit den Daten und welche Schlüsse zieht er aus ihnen? Kann man das heute absehen? Zur Erinnerung: „Auf der Grundlage der ausgefüllten Fragebögen erfolgt die Einladung zur Musterung und anschließend die Auswahl der Geeignetsten und Motiviertesten. Es erfolgt also eine Auswahl nach Qualitätskriterien.“
Es ist ja nur eine Musterung, die zur Auswahl der „Geeignetsten und Motiviertesten“ dient. Nach „Qualitätskriterien“, selbstverständlich. Welche das auch immer sind. Es ist ja nur eine Option, die man ins Auge fassen kann für den eigenen Werdegang, während andere Optionen aufgrund der Ausweitung der staatlichen Kriegswirtschaft und Zerstörung der industriellen und mittelständischen Basis abnehmen. Ob für junge Männer oder Frauen. Wäre doch großartig, wenn man den Qualitätskriterien entspräche, das heißt ja noch nicht, dass man dann sich tatsächlich zur Bundeswehr meldet, oder?
Es ist ja nur ein Gesetz, das man etwas anpassen kann, um die freiwillige Option binnen kurzer Zeit in harten Zwang zu verwandeln, steht die Datengrundlage erst einmal im gewünschten Umfang. Der Staat kann sich Interpretationsspielraum nehmen und entscheidet einfach, wer eingezogen wird, um das Vaterland an der Ostfront oder wo auch immer zu verteidigen. Schließlich liegen die Daten ja vor, dass der Betreffende sich mehr oder weniger freiwillig meldet. Wie drückte es Lauterbach einst so schön vor einem Mikrofon aus: Auch bei einer „Impfpflicht“ sei die Impfung am Ende ja freiwillig.
Der Teil des Volkes, der in Kriegsangst versetzt worden ist und nicht an die Front muss, will das dann nur zu gerne glauben, da braucht man sich keine Illusionen zu machen. Von Politikern, die auch gerne ruhig schlafen wollen, ganz abgesehen.
Aus der Vorstellung des Verteidigungsministeriums lese ich eine ganz klare Empfehlung für den Umgang mit der Erfassungsinitiative heraus: Die Abfrage erst einmal so lange wie möglich ignorieren, mindestens bis die ersten Sanktionen drohen, was noch nicht bei der ersten Aufforderung der Fall sein dürfte. Danach muss jeder selbst ermessen, wann für ihn der Schmerzpunkt kommt. Nur teilweise oder wirr ausfüllen, könnte man sich überlegen. Aber wenn der Fragebogen ausgefüllt wird, sollte aus den Angaben nicht nur Desinteresse, sondern deutliche Ablehnung hervorgehen. Selbst denjenigen, die aus welchen Gründen auch immer ernsthaft einen beruflichen Weg in der Bundeswehr suchen, würde ich empfehlen, den Weg wenigstens nicht über den Zwangsfragebogen zu suchen. Es dürfte ihrer eigenen Sicherheit dienen, wenn die Fragebogenerfassung im Ergebnis eine möglichst breite Ablehnung zur Folge hat, da damit ein umso höheres politisches Risiko für Kampfeinsätze der Bundeswehr zum Ausdruck kommt. Bürokratische Überlastung wäre das beste Ergebnis.
Quellen:
Bundesminister der Verteidigung stellt neues Wehrdienstmodell vor (bmvg)
Lebensuntüchtigkeit: Der Krieg ist fern (Christian Paulwitz, Freiheitsfunken)
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