20. Januar 2025 16:00

Musk-Weidel-Gespräch auf X Eine „unerhörte“ Frage

Von der Antwort darauf hängt so gut wie alles in der Tagespolitik ab

von Robert Grözinger

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Bildquelle: Shutterstock Fragen, von deren Antworten alles andere abhängt: Was, wenn die Sonne stirbt? Was, wenn das Universum stirbt? Was dann?

Die Schlusssequenz des Gesprächs zwischen Elon Musk und Alice Weidel ist ein weiteres Zeichen unter vielen, dass die Kulturhegemonie der postmodern geprägten Politik am Ende ist und etwas Neues im Entstehen ist. Etwas, das die Fehler, die zur Herrschaft der Postmoderne führte, zu vermeiden verspricht.

Immer mehr Wähler in Deutschland „machen rüber“, über die „Brandmauer“, neuesten Umfragen zufolge. Und ein hilfloses Regime quäkt, wie einst Erich Honecker, über die bösen Medien von „drüben“. Der Staatsratsvorsitzende der DDR 1.0 und Organisator des Baus der Berliner Mauer klagte gelegentlich über „Räuberpistolen“ einer seinem Machtbereich entzogenen „Westpresse“. Man organisierte Störsender, man verbat den Konsum des Westfernsehens. Es half alles nichts.

Es ist herrlich erfrischend mit anzusehen, wie X/Twitter-Eigentümer Musk unsere bornierte, strunzdumme Herrscherkaste vorführt. Wie er sie zur Selbstentlarvung treibt. Wie er sie in den Wahnsinn treibt. Vorläufiger Höhepunkt seiner diesbezüglichen Kampagne in Deutschland war sein live auf X gesendetes Gespräch mit der Co-Vorsitzenden und nun Kanzlerkandidatin der AfD, Alice „für Deutschland“ Weidel. 

Die diesbezügliche Selbstentlarvung auf die Spitze trieb Ex-EU-Kommissar Thierry Breton mit seinem fröhlich-ungezwungen geäußerten Hinweis, in Deutschland könnten „wir“ es ja so machen wie soeben in Rumänien. Was nur zeigt, dass diese bornierten Schädel nichts, aber auch gar nichts aus dem Brexit gelernt haben.

Ein kleines Land wie Irland kann man zu einem wiederholten Referendum zwingen, wenn das erste Ergebnis nicht „stimmt“. Nicht aber einen großen Nettobeitragszahler wie das Vereinigte Königreich. Einem kleinen, armen Land wie Rumänien kann man die Wahl annullieren, aber ist das bei einem großen, gar dem größten Nettobeitragszahler denkbar? Wie es in manchem reißerischen Film so schön heißt: „I’d like to see them try.“

Weidel nutzte den Auftritt, um mit dem Spruch „Hitler war ein Linker“ gezielt ins Hornissennest zu stochern. Darüber ist schon Ausreichendes gesagt worden. Freiheitsfunken-Kollege Christian Paulwitz kritisierte zurecht ihren Versuch, eine Wiederbelebung der Kernkraft mit deren CO2-Neutralität zu rechtfertigen.

Im Tohuwabu des Wahlkampfes geht aber der grundlegendste, bahnbrechendste Abschnitt des Gesprächs etwas unter. Und zwar, kurz vor Schluss des Gesprächs, die Vision Musks von der Besiedlung des Mars und die Diskussion über Gott.

Dieser Abschnitt ist so grundlegend, weil er, deutlicher als vieles andere, eine Abkehr vom aktuell herrschenden Postmodernismus signalisiert. Aber auch von dem ihm vorangegangenen Modernismus – der, das beweist das Aufkommen des Postmodernismus, kläglich scheiterte. Wenn der reichste Mann der Welt und eine sehr potente und kompetente mögliche Regierungschefin eines noch immer wichtigen Landes dieses philosophisch-theologische Signal senden, sollten wir aufhorchen.

Auch wenn er unsere Bundesdumpfbacken der Reihe nach und sehr unterhaltsam zum Tanzen bringt, mag Musk seine eigenen Interessen im Schilde führen. Letzteres ist sogar so gut wie garantiert der Fall. Man wird nicht zufällig der reichste Mann der Welt. Aber: Egal, was man sonst von Musk hält. Egal, ob er milliardenfach Steuergelder abgriff – die man ihm freiwillig entgegenwarf –, egal, ob er die gegenwärtige geistig-moralische Wende nicht für das Allgemeinwohl, sondern im Sinne und zugunsten einer Fraktion des tiefen US-Staates steuert: Hier ist jemand, der sich öffentlich mit den wichtigsten Lebensfragen beschäftigt: Wohin gehen wir? Gibt es Gott? Diese Fragen sind wichtig, weil von ihrer Antwort so gut wie alles in der Tagespolitik abhängt. Diese Fragen sind auch „unerhört“, weil sie mehrere Generationen lang nicht ernsthaft in den Kreisen der Mächtigen debattiert wurden – bis jetzt.

Musks Begründung für seine Bemühungen, den Mars zu erreichen – das langfristige Überleben der Zivilisation zu sichern – klingt authentisch. Aber sie greift zu kurz. Und genau deswegen ist Weidels Folgefrage nach Gott so passend und elektrisierend. Musks Antwort entspricht fast wortgenau jener, die Science-Fiction Autor Ray Bradbury (1920–2012) in den frühen 1960er Jahren der italienischen Journalistin und Buchautorin Oriana Fallaci (1929–2006) gab, als sie ihn fragte, warum seiner Ansicht nach die finanziell anspruchsvolle Anstrengung unternommen werden sollte, Menschen auf den Mond zu fliegen.

Bradburys Antwort, aus Fallacis Buch mit dem passenden Titel „Wenn die Sonne stirbt“ aus dem Jahr 1965, lautete so: „Die Erde kann sterben, kann zerbersten, die Sonne kann erlöschen, sie wird erlöschen. Und wenn die Sonne stirbt, wenn die Erde stirbt, wenn unsere Art mit der Erde und der Sonne zusammen stirbt, dann stirbt auch all das, was wir bis zu diesem Moment geschaffen haben. Dann stirbt Homer, stirbt Michelangelo, stirbt Galilei, stirbt Leonardo, stirbt Shakespeare, stirbt Einstein, dann sterben all jene, die nur deshalb nicht tot sind, weil wir leben und an sie denken, weil wir sie in und mit uns tragen. Und dann stürzt alles, jede Erinnerung mit uns ins Dunkel. Retten wir sie also, retten wir uns. Bereiten wir uns darauf vor zu entkommen; entkommen wir, um das Leben auf anderen Planeten fortzusetzen, um auf anderen Planeten unsere Städte wieder aufzubauen.“

Der amerikanische Autor fuhr fort: „Und wenn auch der Mars stirbt, und auch die Venus stirbt, steigen wir in andere Sonnensysteme um, vergessen wir unseren Körper, die Form, die er besaß, diese Arme, diese Beine, diese Augen, werden wir irgendetwas anderes, werden wir zu Flechten, Insekten, Feuerbällen, ganz egal zu was, wenn nur auf irgendeine Weise das Leben weitergeht, und mit dem Leben das Bewusstsein dessen, was wir waren und taten und lernten: das Bewusstsein von Homer, das Bewusstsein von Michelangelo, das Bewusstsein von Galilei, Leonardo, Shakespeare, Einstein! Und das Geschenk des Lebens wird ewig weiterbestehen.“ (Quellenangabe siehe unten.)

Bradbury war wie andere berühmte Science-Fiction-Autoren seiner Generation – insbesondere Isaac Asimov, Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein – ein felsenfester Vertreter der Moderne. Des Glaubens also an die mittels technischem Fortschritt eigenhändig gesteuerte Fortsetzung der Evolution der menschlichen Art.

Dieser Glaube ist im 20. Jahrhundert gestorben – vor den Augen der genannten Autoren, welche diesen Tod nicht wahrhaben wollten. Dieser Glaube starb langsam. In den Schlachtfeldern des Ersten und Zweiten Weltkriegs, in den Vernichtungslagern und Gulags der verschiedenen Sozialismen. In Nanking und Hiroschima. Beim Bau der Berliner Mauer und schließlich, im Jahr 1969, fast auf den Tag genau einen Monat nach dem Start der Apollo-11-Mission, dem letzten Triumph der Moderne, auf dem Feld von Woodstock, wo der „Sei, wer immer du sein willst“-Postmodernismus seinen kulturellen Durchbruch feierte. 

Deshalb ist die kurze Diskussion über Gott, die Weidel nach den etwas langatmigen Grübeleien Musks über die Zukunft der menschlichen Zivilisation anstößt, so bezeichnend. „Ist das Leben, das Universum, Zufall, oder gibt es Gott?“, lässt sich ihre Frage zusammenfassen. Musks Antwort lautet zusammengefasst so: „Ich bin offen für die Möglichkeit, dass es Gott gibt, obwohl ich Zweifel daran habe, dass er moralische Urteile darüber fällt, was wir tun. Dafür geschehen zu viele böse Dinge in der Welt. Aber ich schließe auch das nicht aus. Insgesamt kommt es weniger darauf an, die richtigen Antworten zu finden, als darauf, die richtigen Fragen zu stellen. Ich glaube nicht, dass uns dies bereits gelungen ist.“

Mit den letzten beiden Sätzen wollte sich der Schlaukopf Musk vielleicht nur aus der theologischen Schlinge ziehen. Welche Frage ist fundamentaler als die über Zufall oder Schöpfung? Eine bislang unterberichtete und unterschätzte Entwicklung unserer Zeit ist, dass die Naturwissenschaft, welche die Moderne als Instrument der Überwindung des Gottesglaubens betrachtete, ironischerweise jetzt fast täglich neue Hinweise dafür liefert, dass der Glaube an den Zufall die irrationalere Alternative ist. Es ist davon auszugehen, dass Musk über diesen Trend unterrichtet ist.  

Die Moderne starb, weil sie sinnentleert war. Oder genauer, weil sie der letzten, höchsten Frage auswich. Bradburys Äußerungen, so mitreißend sie auch sind, sind ein Paradebeispiel dafür. Sie lassen die Frage offen: Was, wenn das Universum stirbt – wie es die Naturwissenschaft vorhersagt? Was dann? Wohin, und in welcher Form, fliehen wir dann? Wo bleiben dann die Erinnerungen an Homer, Michelangelo und so weiter? 

Die Antwort der postmodern beeinflussten Kultur war: Zum Teufel mit rationalem Denken und einer Naturwissenschaft, die uns zwar ein längeres, dafür aber sinnentleertes Leben gab. Seien wir einfach nur, was wir sein wollen – und zum Teufel mit denen, die uns sagen, dass das nicht geht.

Immerhin, Bradburys Äußerungen zeigen, dass der tiefste Antrieb der Menschen die Suche nach der Ewigkeit, nach dem ewigen Leben ist. Die Tatsache, dass Musk sie in unseren Tagen wiederholt, zeigt, dass diese Suche wieder an vorderster Front steht. Sie taucht jetzt wieder auf, nach dem immer offensichtlicheren Scheitern der Postmoderne – wie gesagt, immer mehr Wähler „machen rüber“, weg von ihr. Und die Vertreterin der Partei, zu der sie fliehen, hat den Mut, diese Suche im Gespräch mit dem visionärsten Tüftler unserer Zeit wieder an die Oberfläche des öffentlichen Bewusstseins zu heben. Dafür verdient sie Dank und Anerkennung.

Ich schließe diesen Artikel mit einer weiteren Buchempfehlung – nicht nur für Alice Weidel. Allerdings gibt es dieses 2017 veröffentlichte Buch nur auf Englisch: „Improbable Planet – How Earth became Humanity’s Home“. Der Autor ist der kanadische Astronom und Christ Hugh Ross. Auf dem Buchrücken prangen die Fragen: „Sind wir wirklich lediglich das Ergebnis unzähliger Zufälle? Oder gibt es eine vernünftigere/realistischere/plausiblere (‚more reasonable‘) Erklärung?“  

Quellen:

Wortlaut des Gesprächs zwischen Elon Musk und Alice Weidel (Junge Freiheit)

Zitat aus dem zweiten Kapitel von „Wenn die Sonne stirbt“ von Orania Fallaci. Ungekürzte, durchgesehene Ausgabe, München 1993, Seite 33. Italienische Originalausgabe von 1965, erste deutsche Ausgabe erschien 1966. (Bei Amazon leider nur noch gebraucht erhältlich.)

Hugh Ross: Improbable Planet – How Earth Became Humanity’s Home (Amazon)


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