28. Juli 2025 11:00

Gestahlfedert: Abgesang Du weißt, ich liebe das Lügen!

Wie ein vermeintlich fürstlicher Sündenfall zu meinem eigenen wurde

von Michael Werner drucken

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Bildquelle: Shutterstock Kaum noch zu ertragen: Dauerpropaganda und Fake News in den Mittelstrahlmedien

Als kleiner Junge schnappte ich beim Kölner Karnevalszug durch Zufall etwas Außergewöhnliches, was normalerweise nicht zum Wurfmaterial der feisten Herren in lustigen Uniformen gehörte: Eine Single. Für die jüngeren Leser: Das ist eine kleine Schallplatte mit nur einem Song pro Seite. Ich konnte damals, ein halbes Jahr vor meiner Einschulung, zwar schon einigermaßen lesen, aber die Inschrift auf dem Cover enthielt ein paar Worte, die mich schier überforderten. Also starrte ich ersatzweise die ebenfalls auf dem Cover abgebildete, attraktive, dunkelhaarige Frau an, voller Erwartung, zuhause endlich hören zu können, was sie zu sagen oder zu singen hatte.

Meine frühe Faszination für Musik sowie für alle Gerätschaften, die irgendwie Musik machten, hatte für meinen Vater einen permanenten Belagerungszustand seiner Stereoanlage durch eine zu allem entschlossene Ein-Mann-Armee – oder besser gesagt: ein-Dreikäsehoch-Armee – zur Folge. Doch Pragmatiker, der er war, erkannte mein Herr Papa die Vorteile einer bedingten Kapitulation und erkaufte sich die Nutzungsrechte an seiner HiFi-Burg, indem er mir eine eigene kleine Stereoanlage (aus der HS-Serie von „Dual“) fürs Kinderzimmer schenkte. Derselbe Trick funktionierte wenige Jahre später erneut, diesmal mit einem Fernseher, nur dass mein Vater dafür mächtig Ärger bekam, nämlich von einigen Eltern meiner Schulkameraden, die das unverantwortlich und pädagogisch nicht wertvoll fanden – und vor allem lästig, weil ihnen nun der eigene Nachwuchs mit analogen Forderungen in den Ohren lag.

Lange Rede, kurzer Sinn: Kaum zuhause angekommen, stürmte ich ins Kinderzimmer, warf meinen „Dual“-Plattenspieler an, und es tönte laut und grell aus den Boxen: „Theeeeeoooooo… wir fahr’n nach Lotsch!“ Trommelwirbel. Weil entscheidende Botschaften wiederholt werden müssen, gleich nochmal: „Theeeeeoooooo… wir fahr’n nach Lotsch!“ Klirr, Rummms. Weil dieser Theo offensichtlich einen ziemlich festen Schlaf hatte, legte die Diseuse nach: „Steh auf, du faules Murmeltier, bevor ich die Geduld verlier!“ Mittlerweile tat mir dieser Theo fast schon ein wenig leid, doch viel mehr beschäftigte es meine Fantasie, was in diesem ominösen „Lotsch“, von dem ich nie zuvor gehört hatte, wohl für eine geile Party abgehen musste, dass die schreiende Olle den armen Kerl unbedingt dahin zerren wollte. Allerdings sind die beiden dort wahrscheinlich nie angekommen, weil der Kutscher niemanden nach dem Weg fragen konnte – als ich zwanzig Jahre später bei einer Fahrt durch Polen nach Łódź kam, blamierte ich mich nämlich ob meiner falschen Aussprache, da der Pole die Stadt eher so wie „Wudsch“ ausspricht. Jedoch kann man auch ohne profunde Kenntnisse des Songschmiede-Handwerks problemlos nachvollziehen, dass eine Refrain-Hookline, die da lautet „Theo, wir fahr’n nach Wudsch“, nicht das allergrößte Hit-Potential hat.

Jedenfalls prägten Vicky Leandros und ihr arg gebeutelter Theo ein Stück weit meine Kindheit – oder besser gesagt dieses doch recht ungewöhnliche Lied mit seinem ganz eigenen, für das Schlager-Genre sogar eigenartigen Sound, das zudem meine erste eigene Single war.

Gloria von Thurn und Taxis habe ich schon in den 80ern gefeiert, als sie mit schrillen, äußerst gewagten Outfits und extravaganten, turmhohen Frisur-Kunstwerken die gängigen Stock-im-Arsch-Events des deutschen Hochadels kräftig aufmischte und damit nicht nur so manch blaues Blut in Wallung brachte. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1990 mauserte sie sich durch die ihr plötzlich aufgebürdete Verwaltung seines Erbes zur fleißigen, erfolgreichen Geschäftsfrau und zog en passant noch drei Kinder groß. In den frühen 2000ern startete sie ihre dritte Karriere („Rrrrääächzpopulistin“) zunächst bescheiden als Schnacksel-Expertin, um in den letzten Jahren Sprüche rauszuhauen, die sich – vor allem in ihrer gesellschaftlichen Position – sonst niemand auch nur zu denken wagt, wenn er weiterhin zu den angesagtesten Blaublüter-Beerdigungen eingeladen werden möchte.

Wenn Gloria bei Reichelt gegen den „Ökosozialismus“ wettert und auf den „Klimaschwindel“ schimpft, geht mir jedes Mal das Herz auf. Auch bei anderen Themen nimmt die Fürstin kein Blatt vor den Mund und redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, wobei sie sich meist durch ihren klaren, unverstellten Blick auf die Dinge auszeichnet. Auch wenn ich nicht mit all ihren Ansichten konform gehe – manchmal wird es mir tatsächlich zu erzkonservativ, und ihre Demokratieverliebtheit teile ich kein bisschen – so schätze ich ihren Mut, unbequem zu sein und sich auch mächtige Feinde zu machen, sowie insbesondere ihre Unbeugsamkeit und Standhaftigkeit.

Und dann kam jener „Schwarze Montag“, der 21. Juli 2025: Die AfD-Chefin Dr. Alice Weidel war das Thema des Tages, weil der zwangsgebührenfinanzierte Staatspropaganda-Schundfunk am Vortag in enger Kooperation mit der Berliner Polizei und „unserer Demokratie“ beim „Sommerinterview“ in der Bannmeile um den Bundestag zwei Dutzend steuergeldfinanzierte Krawallmacher aufmarschieren ließ und deren Gebrüll und Schmähgesänge dem Sendeton mit Absicht so laut hinzumischte, dass man Frau Weidel nur mit großer Mühe noch verstehen konnte. Und damit nicht genug, routete man ihr auch noch ein Monitor-Signal mit Latenz aufs In-Ear, um sie komplett aus der Fassung zu bringen. Verzeihen Sie mein Kauderwelsch, aber damit will ich dezent darauf hinweisen, dass ich tontechnisch vom Fach bin und eindeutig durchschaut habe, was da passiert ist – Alice Weidel selbst sprach weniger fachmännisch von einem „Echo im Ohr“. Das sind Methoden wie bei Väterchen Stalin, und genau da sind wir jetzt offensichtlich angelangt.

Jedoch sollte Alice Weidel am selben Tag noch ein zweites Mal zur Top-Meldung werden: Um 18:01 Uhr erschien auf der Online-Präsenz von „Bild“ ein Artikel, in dem Vicky Leandros, die am selben Abend einen Auftritt bei den Schlossfestspielen von Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg absolvieren sollte, verlauten ließ, sie habe erst in der Nacht zuvor erfahren, dass Alice Weidel als geladener Gast anwesend sei, und deshalb der Hausherrin am Telefon sofort unmissverständlich gesagt, die Politikerin sei auf ihrem Konzert nicht willkommen, woraufhin Gloria ihre Einladung an Weidel zurückgezogen habe.

Das hat gesessen, ich war ernsthaft geschockt und enttäuscht.

Von meiner Kindheits-Ikone Vicky allerdings eher mäßig, denn spätestens seit der Clownsgrippe dürfte sich jeder längst daran gewöhnt haben, dass die meisten Künstler, wenn es unbequem werden könnte, im Zweifelsfall doch lieber brav das Mainstream-Narrativ nachplappern, oder sich gar in vorauseilendem Gehorsam durch gratismutige Zeichensetzerei-Aktionen anbiedern. Nun war Vicky Leandros noch auf den letzten Meter gefallen, denn das Traurige daran ist, dass sie das nicht nötig gehabt hätte, da sie Ende 2024 ihre Karriere mit einer erfolgreichen Abschiedstournee beendet hatte und es sich nun problemlos erlauben könnte, diesen Unsinn nicht mehr mitzumachen, oder wenigstens die Klappe zu halten und einen eventuellen Shitstorm kalt lächelnd auszusitzen. Stattdessen hat die Frau, die kein Problem damit hatte, zwischen 1973 und 1986 mindestens dreimal im Staatsfernsehen des Mauermörder-Regimes vor Protagonisten und handverlesenen Sympathisanten dieser Tyrannei aufzutreten, heute plötzlich ein Problem damit, wenn eine von mehr als zwanzig Prozent der Bevölkerung demokratisch gewählte Politikerin im Publikum sitzen könnte, die sich nie etwas hat zuschulden kommen lassen, außer dass sie politische Positionen vertritt, die vor wenigen Jahren noch als gemäßigt bürgerlich galten und sogar von zahlreichen Anhängern der Sozialdemokratie geteilt wurden.

Äußerst bemerkenswert ist Leandros‘ Statement in dem Artikel: „Ich stehe für Vielfalt, Toleranz, Menschenwürde, Menschenrechte und Internationalität.“ Vielleicht hätte sie den Begriff „Toleranz“ besser weggelassen und darauf hingewiesen, dass ihre Definition von „Vielfalt“ politische Ansichten exkludiert. „Ich bin mit fünf Jahren aus Athen nach Deutschland gekommen und wurde mit offenen Armen aufgenommen.“ Ja, sie kam mit ihrer Familie (ihr Vater Leo Leandros, inzwischen 101 Jahre alt, war damals schon ein erfolgreicher Schlagersänger) zum Arbeiten hierher. Warum sollte man sie damals nicht mit offenen Armen aufnehmen, wenn man heute sogar ganze Heerscharen von Menschen mit offenen Armen aufnimmt, die lediglich zum Abgreifen öffentlicher Gelder und nicht selten auch zur Begehung schwerster Straftaten hierherkommen? „So lebe ich auch. Ich habe Respekt vor jedem Menschen…“ außer vor Alice Weidel „…und lasse ihn so leben, wie es ihn glücklich macht.“ Ja, außer Alice Weidel!

Zudem ist es an Absurdität kaum zu überbieten, dass eine Künstlerin, die von einem Veranstalter für einen Auftritt bei einem öffentlichen Event gebucht wurde, meint, sie habe das Recht, zu bestimmen, wer ihrer Darbietung beiwohnen darf und wer nicht – und das nach Vertragsschluss, wohlgemerkt! Wenn einem das so wichtig ist, dann klärt man das bei den Verhandlungen oder hat Ausschlussklauseln im Vertragswerk.

Ich habe anderthalb Jahrzehnte lang als Berufsmusiker mit meiner Band auf allen möglichen Veranstaltungen gespielt. Da kam es immer mal wieder vor, dass Leute im Publikum saßen, mitunter auch Politiker, die nicht jedem von uns zusagten. Meine Musiker deckten das gesamte politische Spektrum ab, von erzkonservativ über wirtschaftsliberal bis hardcore-linksgrün, aber das war zu keiner Zeit ein Thema oder gar ein Problem, denn man hat einander trotzdem respektiert und sogar gemocht. Aufgrund unserer weltanschaulichen Vielfalt war lediglich vereinbart, dass wir als Band für keine politische Partei Werbung oder gar Wahlkampf machen, und das stand auch als Klausel in unserem Engagement-Vertrag, um auf Nummer Sicher zu gehen, nicht doch vor irgendeinen Karren gespannt zu werden, da wir immer mal wieder auf Parteiveranstaltungen spielten. Aber niemand von uns wäre jemals auf die irrsinnige Idee gekommen, zu sagen: „Wenn Politiker XY im Publikum sitzt, trete ich nicht auf.“ Völlig undenkbar! Wir hätten jedem den Vogel gezeigt, der so etwas auch nur angedeutet hätte!

Wirklich erschüttert hat mich dahingegen, lesen zu müssen, dass Gloria von Thurn und Taxis aufgrund der unverschämten Forderung ihrer bezahlten Dienstleisterin (denn genau das ist Vicky Leandros hier rein rechtlich) eingeknickt sei und Alice Weidel – mit der sie immerhin privat befreundet ist – wieder ausgeladen habe.

Da aus dem Hause Thurn und Taxis kein Kommentar oder gar eine prompte Gegendarstellung erfolgte, und ich mir auch nicht vorstellen konnte, dass ein Kultstar vom Format einer Vicky Leandros so etwas einfach frei erfindet, ebenso wenig Tanja May, die Autorin des Artikels, die nur wenige Tage zuvor den Bayerischen Verdienstorden „für ihr publizistisches Wirken und ihren bedeutenden Beitrag zur Gestaltung des modernen Journalismus“ aus den Händen von Markus Söder himself erhalten hatte, ging ich resigniert davon aus, dass das wohl wirklich so stattgefunden hat, und war fassungslos: Bis dato hätte ich ein Vermögen darauf verwettet, dass Gloria sich das nicht bieten lässt und eher die abgehalfterte Schlager-Eule zurück nach Athen schickt, als ihre Freundin Alice Weidel eiskalt wieder auszuladen – am allerwenigsten, nachdem dieser am Vortag bereits so übel mitgespielt worden war.

So war ich gleich im doppelten Sinne zutiefst enttäuscht: Von Gloria, dass sie sich aufgrund eines nichtigen Anlasses nun auch dem linksgrünen Tugendterror gebeugt hat, und nicht minder von mir selbst, dass ich sie jahrelang so falsch eingeschätzt hatte. Diese Enttäuschung habe ich sodann auch auf Social Media in meinem üblichen Duktus verbalisiert.

Zwei Tage später, am Mittwoch, trat die Fürstin – endlich! – an die Öffentlichkeit und erzählte bei Reichelt ausführlich, detailliert und erstaunlich humorvoll ihre Version der Geschichte. Und siehe da – es war alles ganz anders! Überraschung!

Und schon war ich wieder erschüttert, aber diesmal nur meiner selbst wegen: Dass ich weder meiner eigenen Menschenkenntnis noch der bisher stets stabil gebliebenen Gloria ausreichend vertraut habe, dass ich stattdessen das Gewäsch einer gefallsüchtigen Schlagersängerin für bare Münze genommen habe, dass ich der „Bild“-Zeitung geglaubt habe, insbesondere einer „Journalistin“, die gerade vom Erzfeind (also vom Staat) für besondere Systemtreue ausgezeichnet worden war, und dass ich mir ein vorschnelles Urteil gebildet hatte, ohne die andere Seite zu kennen, und dieses dann auch noch auf allen Kanälen rausgehauen habe. Ich habe etwas, das ich zutiefst verachte und bei anderen stets gnadenlos anprangere, selbst getan, ohne es zu merken, und dafür schäme ich mich in Grund und Boden. Daher möchte ich diesen Artikel als eine kleine Hommage – und vor allem als eine dicke Entschuldigung! – an die wunderbare, unbeugsame Gloria von Thurn und Taxis verstanden wissen.

Auf eine Schilderung der Ereignisse und aller sie umgebenden Umstände aus der Sicht der Fürstin verzichte ich an dieser Stelle – nicht nur der Übersichtlichkeit halber und einer angemessenen Länge zuliebe, sondern weil es wesentlich unterhaltsamer und erkenntnisreicher ist, sich das im Originalton anzuhören, weshalb ich auf die zwei untenstehenden Youtube-Videos verweise, die ich jedem, der sie noch nicht gesehen hat, nur wärmstens empfehlen kann.

Nun bin ich froh, dass ich wenigstens „meine“ Gloria zurückhabe. Den Verlust von Vicky Leandros werde ich wohl verschmerzen müssen – und sicher auch können. Durch ihren unnötigen, peinlichen Auftritt vor dem eigentlichen Auftritt bewahrheitet sich mal wieder die alte Weisheit „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“, oder für meine klassisch gebildeten Leser „si tacuisses, philosophus mansisses“, oder für die Schlager-Fans der alten Schule: „Theo, was für ein Rotz!“

Quellen:

„Alice Weidel ist bei meinem Konzert nicht willkommen“ (Bild am 21.07.2025)

Verdienstorden für BILD-Vize Tanja May (Bild am 10.07.2025)

Lügenkampagne entlarvt! Weidel wurde von Gloria gar nicht ausgeladen (Youtube-Kanal von „NIUS“)

Mit Stasi-Methoden gegen Opposition, Weidel und Gloria! (Youtube-Kanal von „Achtung, Reichelt“)


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