Mode: Paolo-Prollo-Style
Der ultimative postmoderne Chic

Arme Leute orientierten sich gerne an den Eliten. Sie leisteten sich einen Kronleuchter, den sie in der Arbeiterwohnung an die niedrige Decke hingen, wo sich jeder den Kopf anhauen konnte. Sie kauften sich Geschirr einer bestimmten Marke, weil die Königin es verwendete. Doch in den letzten 50 Jahren beobachten Anthropologen genau das umgekehrte Phänomen: Trends aus der Unterschicht werden von darüberliegenden Klassen übernommen.
Beispiel: Tattoos
Früher ließen sich nur Knastis tätowieren. Sie hatten nichts mehr zu verlieren, sozialer Aufstieg war für sie nicht möglich. Heute ist fast jeder unter 45 Jahren nur noch eines: tätowiert. Sobald er oder sie einen Geistesblitz traf, wurde dieser auf der Haut verewigt.
Manieren überflüssig
Alle duzen sich wie selbstverständlich. Von Tischsitten haben die Jugendlichen noch nie etwas gehört. Warum auch? Schlussendlich sitzt man doch neben dem „Chav“ im McDonald’s oder in der Pizzeria.
Auf dem Bahnsteig begegnet man der üppigen Maid mit künstlichen Wimpern, Kampfstiefeln und künstlichen Fingernägeln in Leggings. Neben ihr stehen Gopniks mit syrischen Frisuren, Baseballkappe und Bart, die Sneakers, Jogginghose und einen fetten Bauch unter einem T-Shirt, Marke „Boxeur des Rues“, tragen. Wie kleideten sich die Menschen vor 50 Jahren? (siehe Link unten)
Prolo-Lifestyle
Dann liest man die Reportage von einem Unternehmer, der mit nur 115 Objekten lebt (Minimalismus). Das ledige Sternchen X präsentiert ihr neues Baby, dessen Vater sie aber nicht verraten will (Single Mom). Ein Fotomodell gibt Einblick in ihr Stealth-Van-Life fernab aller gesellschaftlichen Zwänge. Eine Journalistin arbeitet von Portugal aus in der Sonne als digitale Nomadin. Noch vor wenigen Jahren hätte man diese Existenz als Heuchlerin, Schlampe, Obdachlose und Vagabundin bezeichnet.
Der linksgrüne Mainstream feiert diese Traumtänzer als „das neue Normal“: authentisch, fortschrittlich, umweltbewusst, weltoffen, modern und zeitgemäß. Dahinter verbirgt sich eine verheerende Erkenntnis, die explosiver nicht sein könnte: Die Gesellschaft geht ihrem Ende entgegen.
Ende der sozialen Mobilität
Obere Schichten übernehmen Verhaltensweisen und Lebensstile unterer Schichten, wenn der soziale Aufstieg nicht mehr möglich ist und der soziale Abstieg droht.
Einige empfinden es dennoch als erniedrigend, wenn sie sich im Flieger in die engen Sitze der Holzklasse zwingen müssen. Hier kommt den Medien eine wichtige Rolle zu: Sie erzählen der Bevölkerung, dass dies ein neuer Trend sei und man so das Klima schütze.
Ökobewusstsein als Rechtfertigung des Abstiegs
Irgendwie möchte man sich dann doch vom Pöbel im Nachbarsitz abgrenzen. Wir haben kein Auto und benutzen stattdessen das Lastenrad (Virtue signalling). Schließlich ist man nicht materialistisch eingestellt, man zahlt mit Überzeugung den freiwilligen CO2-Zuschlag für das Klima.
Seit Monaten macht eine Schweizer Zeitung Werbung für die „zeitgemäße Art“, sich ein Auto mit anderen zu teilen. Dazu gibt es Testimonials von Schauspielern und Expertenmeinungen. Fakt ist, dass sich immer weniger ein eigenes Auto leisten können.
Rückkehr zur Monarchie
Ist es womöglich sogar das Ende jeder sozialen Mobilität? Natürlich hofft jeder, dass die soziale Mobilität irgendwann wiederhergestellt wird.
Hier zeigt sich deutlich, wie die Mainstream-Medien sich zur neuen Kirche entwickelt haben. Die Journalisten – die Priester des Medienzeitalters – werden uns weiterhin Menschen präsentieren, die es angeblich geschafft haben. Vor Kurzem erfuhr die Öffentlichkeit beispielsweise, dass Roger Federer Milliardär geworden ist. Die Botschaft lautet: Schaut her, es geht doch.
Hoss und Hopf und Co organisieren Seminare, in denen sie zeigen, wie man „es schaffen kann“, wenn man seine Einstellung ändert. Leider ist es nicht so einfach.
Die Geschichte belehrt uns eines Besseren. Soziale Mobilität fand nur statt, wenn eine untere Klasse die darüberliegende physisch eliminierte. Das geschah sehr selten (Französische Revolution, Russische Revolution). Irgendwie schien sich die Menschheit gut mit der Monarchie abgefunden zu haben. Darüber sollten wir nachdenken.
Paul Fussel: „Class : A Guide Through the American Status System“
Paul Siegenthal: Der Gramsci-Gap
Paolo-Prollo-Waschmitteldosierer-Inserat
Menschen in den 50er Jahren (Street Photography; Youtube)
Kommentare
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